Berichtspflichten als strategische Chance

Als ISEKI-Maschinen GmbH verkaufen wir jährlich 2000 Dieselfahrzeuge. Ich vergleiche sie gerne mit Gasheizungen – nicht technisch sondern mental. Wer heute ein Dieseltraktor kauft, hofft, dass ˈalles gar nicht so schlimm wirdˈ, dass Diesel auch in zehn, zwanzig Jahren noch verfügbar und bezahlbar ist. Gleichzeitig entwickelt sich die Kurve der globalen Erwärmung exponentiell – Extremwetter und Ressourcenknappheit nehmen zu.
Als Unternehmen sind wir auf die Hoffnung, dass ˈalles gar nicht so schlimm wirdˈ, angewiesen. Dieseltraktoren machen rund die Hälfte unseres Umsatzes aus – auch, und das muss gesagt werden, weil elektrische Alternativen vielfach noch nicht den fossilen Kommunaltraktor ersetzen können. Trotzdem war die Erkenntnis über unser fossiles Portfolio für mich der Beginn einer stillen, aber existenziellen Krise. Meine Motivation ließ nach. Ich hatte keine klaren Ziele mehr vor Augen, keine Vision, auf die ich hinarbeiten konnte.
Ein Nebel voller Annahmen
Bereits 2022 hat unsere Hausbank signalisiert, dass Berichtspflichten auf uns zukommen. Auch wir wollten mehr Nachhaltigkeit umsetzen - und steckten gleichzeitig in einem Nebel voller Annahmen, Bauchgefühlen und Widersprüchen. Gelöst hat sie unser Controller. Neben personellen Ressourcen brachte er ein unerlässliches Gut für der ersten Nachhaltigkeitsbericht mit: intrinsische Motivation. Ergänzend entschieden wir uns für eine Softwarelösung, von der ich heute sagen würde: sie hat nur begrenzt geholfen. Ein geteiltes Google Sheet und ein zentrales Textdokument war für den ersten Bericht oft praktikabler.
Am Ende stand das Ergebnis unseres Berichts: so erwartbar wie bereichernd. 99% unserer Emissionen liegen in Scope 3, also in unserer vor- und nachgelagerten Lieferkette. Mein jährlicher Flug nach Japan, der jahrelang mein Gewissen belastet hat: etwa 0,002% unserer gesamten Emissionen. Hier zeigt sich der Wert der Berichtspflichten: sie lichten den Nebel – und helfen Entscheidungen zu treffen, die auf klaren, transparenten Informationen beruhen.
Ran an den Diesel
Als ISEKI-Maschinen GmbH emittieren wir jährlich rund 150.000 Tonnen CO₂e. Circa 66% entfallen auf die Lebenszeit der Maschinen, 32% auf ihre Herstellung und das letzte Prozent auf unsere Flugreisen, Heizung, Stromverbrauch und Fahrzeugflotte. Mit dieser Erkenntnis war das Handlungsfeld abgesteckt – mehr Elektro, weniger Diesel. Ich machte mich auf, um neue Hersteller und unsere Händlernetzwerk zu treffen.
Nicht alle waren überzeugt. Auch Kolleg:innen fürchteten, dass wir durch ˈIdeologieprojekteˈ wirtschaftlichen Schaden erleiden. Auf die Euphorie folgte Ernüchterung. Zumal Elektromaschinen zwar 50% weniger emittieren als eine Dieselmaschine, ihre Nutzung im deutschen Strommix aber längst nicht emissionsfrei ist. Spätestens hier war unser Einfluss begrenzt. Wie also weiter?
Den Durchbruch brachte ein Besuch bei Tenax im Sommer 2023. Das italienische Unternehmen produziert vollelektrische Kehrmaschinen – technisch innovativ, mit dem Ziel sie am Ende ihrer Laufzeit zurückzukaufen, zu vermieten oder aufzubereiten. Dieses Modell führte bei uns zu einem strategischen Umdenken – und einem Pilotprojekt. Wir haben ein eigenständiges Geschäftsfeld für Wartung und Reparatur aufgebaut, die Kundenbindung erhöht und ein echtes Produktverständnis für den gesamten Lebenszyklus entwickelt. Das bringt uns näher an unser Ziel: eine zirkuläre Nutzung, über viel Jahre hinweg.
Nachhaltigkeit als Motivator
Noch ist der Weg weit. Ein Pilotprojekt senkt unsere Emissionen nicht auf null. Muss es aber auch nicht. Denn noch ist Zeit – weil wir früh genug begonnen haben. Unser erster Nachhaltigkeitsbericht war der Anstoß zu einem zukunftsfähigen, zirkulären Portfolio. Nachhaltigkeit ist unser Motivator geworden. Sie verleiht unserer Arbeit Sinn, Orientierung und Perspektive – gerade in Zeiten der Unsicherheit. Wir treffen Entscheidungen auf Basis von Daten, nicht von Wunschdenken. Das schafft Vertrauen - bei Händlern, Kolleg:innen und Kund:innen.
Wer heute aufatmet, weil Berichtspflichten oder Nachhaltigkeitsvorgaben gelockert werden, läuft Gefahr, strategische Chancen zu verpassen. Es geht nicht um Pflichten. Es geht um die Fähigkeit, Zukunft aktiv zu gestalten.