News
Buchrezension: „Es reicht! Abrechnung mit dem Wachstumswahn“ (Serge Latouche)

[vc_row][vc_column][vc_column_text css_animation_speed="faster" css_animation_delay="0"]Von Anne Büchel, Referentin für Handelspolitik bei UnternehmensGrün
„Degrowth oder Barbarei“ (S. 25) – das sind für Serge Latouche, Vordenker und Gallionsfigur der französischen Wachstumskritik, die Alternativen, vor denen die jetzige Wachstumsgesellschaft steht. In „Es reicht! Abrechnung mit dem Wachstumswahn!“, dem in Frankreich bereits 2007 erschienenen Manifest der Décroissance- bzw. Degrowth-Bewegung, das nun erstmals auch auf Deutsch erschienen ist, fordert er einen grundlegenden Bewusstseins- und Politikwandel weg von der Konsumgesellschaft hin zu einer Gesellschaft der Wachstumsrücknahme („Degrowth“).
Inhaltlich knüpft das Buch an seinen literarischen Vorgänger „Le pari de la décroissance“ (Fayard, Paris 2006) an, der von der Zeitschrift L’Ecologiste zur „Bibel“[1] der Wachstumsrücknahme erhoben wurde. Die darin ausführlich behandelten Thesen nimmt Latouche in „Es reicht!“ in komprimierter Form wieder auf, ergänzt sie um neuere Entwicklungen und Ideen und schließt ihnen die Überlegung an, wie der Übergang in die „Degrowth“-Gesellschaft konkret, d.h. politisch, gestaltet werden kann. Mehr noch als eine Zusammenfassung seiner bisherigen Analysen versteht der Autor sein Buch als eine praktische Anleitung, ein „Arbeitswerk für jedermann, der sich in der Umweltpolitik oder als politischer Aktivist“ (S. 16) engagiere.
Seine Argumentation entwickelt Latouche in drei Abschnitten: Zuerst begründet er die unbedingte Notwendigkeit der Abkehr vom Wachstumsparadigma (Teil I), widmet sich dann der „konkreten Utopie“ der „Degrowth“-Gesellschaft (Teil II) und erläutert schließlich sein politisches Programm, das den Systemwechsel ermöglichen soll (Teil III).
Seine Ablehnung des Status quo macht er dabei nicht nur an den ökologisch verheerenden Folgen des ungezügelten Wachstumsstrebens fest, er verurteilt auch den Übergriff des Wachstumsdenkens auf alle Bereiche des individuellen und gesellschaftlichen Lebens. Ein Ausbruch aus dem Teufelskreis von Konsum, Werbung (um Konsumwünsche zu wecken), Kredit (um sie zu finanzieren) und geplanter Obsoleszenz (um den realen Bedarf anzukurbeln) sei jedoch nur möglich, wenn man sich aus dem Korsett des wachstums- und konsumtreibenden Denksystems als Ganzes löse, mit anderen Worten: Degrowth könne nur in einer „auf Degrowth gründenden“ (S. 25) Gesellschaft verwirklicht werden.
Konkrete Schritte zur Verwirklichung dieser Gesellschaft bestünden
- in der „Re-Evaluation“ des bestehenden Wertesystems (z.B. von Egoismus zu Altruismus, zügelloser Konkurrenz zu Kooperation, unbegrenztem Konsum zu mehr sozialer Aktivität etc.),
- einer darauf aufbauenden Re-Konzeptualisierung der sozialen Welt (z.B. in Bezug auf das Verständnis von Armut und Reichtum, Fülle und Knappheit etc.),
- der Restrukturierung, d.h. Anpassung von Produktion und Sozialleben an die neuen Werte,
- der Redistribution von Reichtum von Norden nach Süden,
- der Reduktion von übermäßigem Konsum und Arbeitszeit (die dann mehr Raum lasse für Müßiggang, Sozialleben, Selbstreflexion etc.)
- und der Relokalisierung, d.h. Verlagerung von Produktion, Politik, Kultur, und gesellschaftlichem Leben auf die lokale Ebene.