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Der Right-To-Repair Act ist ein Tropfen auf den heißen Stein: Warum wir eine umfassende Strategie gegen geplante Obsoleszenz brauchen

Die Fachgruppe Digitales bündelt die Expertise der BNW-Mitgliedsunternehmen rund um das Thema Nachhaltige Digitalisierung. Ziel ist es das branchenübergreifende Know-How zusammenzutragen, digitalpolitische Themen auf nachhaltige Ansätze zu prüfen und sie in die Politik zu tragen.

Nachhaltige Digitalisierung

Gastbeitrag der BNW-Fachgruppe Digitales

Nachdem das EU-Parlament im November 2023 mit großer Mehrheit ein verschärftes Gesetz zum „Recht auf Reparatur“ gebilligt hatte, legte auch der Rat seinen Standpunkt dazu dar[1].

„Solange die EU-Institutionen keine Regeln für angemessene Ersatzteilpreise einführen und reparaturfeindliche Praktiken verbieten, die die Verwendung kompatibler und wiederverwendeter Ersatzteile verhindern, werden europäischen Verbraucher:innen keinen besseren Zugang zu erschwinglichen Reparaturen erhalten“, so das Netzwerk der Right to Repair-Kampagne[2].

Die neue Vorschrift der EU, die Herstellern von Elektrogeräten vorschreibt, dass sie die Batterien ihrer Produkte austauschbar machen müssen, ist ein Schritt in die richtige Richtung, aber sie ist noch nicht ausreichend, um das Problem der geplanten Obsoleszenz[3] anzugehen. Mit der Vorschrift soll die Lebensdauer der Geräte verlängert und die Umweltbelastung reduziert werden. Die Vorschrift gilt ab dem 1. Januar 2024 für alle Geräte, die in der EU verkauft werden, mit Ausnahme von solchen, die als “wasserdicht” gekennzeichnet sind.

Die BNW-Fachgruppe Digitales kritisiert folgende Punkte:

  • Die Ausnahme für “wasserdichte” Geräte ist kritisch zu betrachten. Viele Hersteller weisen vor allem Smartphones bereits heute als wasserdicht aus und es ist zu befürchten, dass dies deutlich zunehmen wird und auch zunehmend Laptops und andere Geräte betreffen wird. Dies würde die Wirkung der Vorschrift untergraben und den Verbraucher:innen die Möglichkeit nehmen, ihre Batterien selbst zu wechseln oder reparieren zu lassen.
     
  • Mit Batterien wird nur eine Komponente von Elektro-Geräten berücksichtigt, alles andere wird nicht betrachtet. In vielen Handys, Laptops und anderen Geräten sind die Komponenten mittlerweile verklebt oder verlötet, teilweise aufgrund der Bauweise, teilweise mit Verdacht auf geplante Obsoleszenz. Batterien sind trotzdem vor allem bei Laptops noch die am leichtesten tauschbare Komponente. Die verpflichtende Austauschbarkeit einzelner Komponenten wie RAM, Datenträger, GPU oder CPU wäre an dieser Stelle sinnvoller gewesen, um den Lebenszyklus der Geräte zu verlängern. Dies würde den Verbraucher:innen erlauben, ihre Geräte je nach Anforderungen aufzurüsten und zu individualisieren. Ein Beispiel für ein modulares Konzept ist das Shiftphone, das aus einzelnen Modulen besteht, die leicht ausgetauscht oder repariert werden können.
     
  • Die Recyclingfähigkeit von Batterien muss mehr berücksichtigt und fokussiert werden. Batterien enthalten wertvolle und seltene Metalle wie Lithium, Kobalt oder Nickel, die nicht unbegrenzt verfügbar sind. Die Wiederverwertung dieser Metalle ist sowohl ökonomisch als auch ökologisch sinnvoll, da sie die Abhängigkeit von Rohstoffimporten verringert und die Umweltbelastung durch den Abbau reduziert. Die EU sollte daher Anreize schaffen, um die Sammlung und das Recycling von Altbatterien zu fördern.

Ein positives Beispiel für eine Initiative zur Förderung der Reparaturfähigkeit von Elektrogeräten ist der französische Reparaturindex. Dieser ist ein Label, das seit dem 1. Januar 2021 auf allen neuen Elektrogeräten angebracht werden muss und das anzeigt, wie leicht oder schwer sie zu reparieren sind. Der Index basiert auf fünf Kriterien: der Verfügbarkeit von Ersatzteilen, der Zugänglichkeit von Reparaturinformationen, dem Preis der Ersatzteile im Verhältnis zum Neupreis des Produkts, dem Aufbau des Produkts und der Verfügbarkeit von Software-Updates. Der Index soll Verbraucher:innen helfen, bewusstere Kaufentscheidungen zu treffen und die Nachfrage nach langlebigen und reparierbaren Produkten zu erhöhen.

Die neue EU-Vorschrift ein Recht auf Reparatur ist ein wichtiger Schritt in Richtung einer nachhaltigeren und verbraucherfreundlicheren Wirtschaft. Sie muss aber noch weiter ausgebaut und verbessert werden, um die Herausforderungen der geplanten Obsoleszenz und des Elektroschrotts effektiv anzugehen.

"Viele Menschen können sich heute gar nicht mehr vorstellen, wie viele Konsumartikel man reparieren kann. Im Rahmen der EU-Mitgliedstaaten setze ich mich für ein starkes Recht auf Reparatur ein. 2024 will ich ein Reparaturgesetz vorlegen." so Bundesverbraucherschutzministerin Steffi Lemke.

Hintergrund: Die Fachgruppe Digitales bündelt die Expertise der BNW-Mitgliedsunternehmen rund um das Thema Nachhaltige Digitalisierung. Ziel ist es das branchenübergreifende Know-How zusammenzutragen, digitalpolitische Themen auf nachhaltige Ansätze zu prüfen und sie in die Politik zu tragen. Aktiv in der Fachgruppe arbeiten derzeit diese Firmen mit: Ecosia GmbH; Florian Gründel; Green IT Solution GmbH; greenjobs GmbH; inoio GmbH; neuland – Büro für Informatik GmbH; Sandstorm Media GmbH; SHIFT GmbH; SUSTAYN GmbH; Vast Forward»  Bildpunktmobilisierung GmbH; VERSO GmbH;  Wolkenhof GmbH

 

[1] https://www.euractiv.com/section/digital/news/eu-parliament-adopts-right-to-repair-law-with-broad-support/; https://www.consilium.europa.eu/de/press/press-releases/2023/11/22/circular-economy-council-adopts-position-on-a-directive-that-enshrines-consumers-right-to-repair/

[2] https://repair.eu/de/news/reparaturunternehmen-und-r2r-befuerworter-befuerchten-dass-die-neuen-repa…

[3] Geplante Obsoleszenz bezeichnet die Praxis, dass Hersteller ihre Produkte absichtlich so gestalten, dass sie nach einer bestimmten Zeit unbrauchbar werden oder an Leistung verlieren. Dies führt dazu, dass Verbraucher:innen gezwungen sind, neue Geräte zu kaufen, was den Ressourcenverbrauch und den Elektroschrott erhöht.