Digitale Verantwortung übernehmen - Nachhaltige Werte in turbulenten Zeiten bewahren

Gastbeitrag von Dr. Saskia Dörr, WiseWay, Mitglied der Fachgruppe Digitales des BNW
In den letzten Wochen häufen sich Meldungen, die die Risiken im digitalen Raum durch Oligopole erkennen lassen. Unternehmen, Hochschulen und Ministerien kehren dem Kurznachrichtendienst „X" (ehemals Twitter) den Rücken, um die präsente Medienmacht des Kurznachrichtendienstes und seines Eigners zu schmälern. Hinzu kommt die Ankündigung des Meta-Konzerns (Facebook, Instagram), die Content-Moderation herunterzufahren, was nach Ansicht vieler Beobachter:innen in Zukunft zu einer Zunahme von Fake News und antidemokratischer Polarisierung führen kann.
All diese Entwicklungen bleiben auch für deutsche Unternehmen nicht ohne Konsequenzen - selbst wenn manche:r glaubt, das sei „nicht unser Bier". Wer an verantwortungsvolles Wirtschaften glaubt, kann sich nicht aus der Verantwortung stehlen, nur weil die Plattform „in der Cloud" liegt. Bereits heute findet ein Großteil unserer Kommunikation in sozialen Netzwerken statt, der deutsche Mittelstand investiert in Künstliche Intelligenz und viele Firmen stehen vor der Frage, wie sie in diesem Umfeld Werte wie Respekt, Transparenz und Fairness aufrechterhalten können. Wer im analogen Bereich vieles richtig macht - zum Beispiel durch faire Lieferketten, umweltfreundliche Prozesse und soziales Engagement -, muss sich nun verstärkt fragen, wie diese Prinzipien online ebenso konsequent umgesetzt werden können.
Werte nicht nur offline, sondern auch online leben
Ein mittelständisches Unternehmen, das sich über Jahre hinweg mit nachhaltigen Produkten, klaren Umweltleitlinien und sozialer Verantwortung in der Öffentlichkeit einen guten Ruf erarbeitet hat, steht vor genau dieser Herausforderung. Sobald es im digitalen Handel aktiv wird, Kund:innendaten sammelt, selbstlernende Algorithmen einsetzt und in Sozialen Netzwerken präsent ist, entstehen neue Verantwortlichkeiten. Ein Fehlverhalten kann schnell negative Folgen für das hart erarbeitete Image haben. Das beginnt bei der Frage, in welchen Social-Media-Kanälen das Unternehmen präsent ist, wie Kund:innen beim Umgang mit den eigenen Datenspuren gestärkt werden, ob die Möglichkeiten des Internets für den barrierefreien Zugang aller genutzt werden, und reicht bis zum Umgang mit Hatespeech in Kommentaren oder Desinformation, die das eigene Produktumfeld betrifft. Es ist deshalb entscheidend, dass Unternehmen ihre digitalen Kanäle genauso sorgfältig managen, wie sie es bei Lieferketten oder dem Energiemanagement längst tun. Corporate Digital Responsibility (CDR) ist hier keine Option, sondern wird zum festen Bestandteil der Nachhaltigkeitsstrategie.
Chance: Nachhaltigkeitswerte im Digitalen anwenden
Der bewusste Umgang mit digitalen Tools und Plattformen kann sich dabei durchaus als Wettbewerbsvorteil erweisen. Ein transparentes Vorgehen in Sachen Datennutzung, ein echtes Engagement gegen Falschinformationen und eine inklusive Gestaltung digitaler Angebote schaffen Vertrauen bei Kund:innen und Stakeholdern. Wer beispielsweise seine Webseiten barrierearm gestaltet und Weiterbildungen anbietet, damit Mitarbeitende und Kund:innen Desinformation erkennen können, zeigt Handlungsfähigkeit und Empathie. Ein weiterer Aspekt ist der Umweltschutz im Digitalen: Rechenzentren verbrauchen enorme Mengen an Energie, und viele Geräte werden zu schnell ausgetauscht. Die Entscheidung für klimafreundliche Hosting-Anbieter und eine Verlängerung des Lifecycles von Hardware trägt auch hier sichtbar zum Klimaschutz bei.
CDR Initiative des BMUV und UN Global Digital Compact: Gemeinsamer Rahmen für nachhaltige Digitalisierung
All diese Aktivitäten lassen sich im Unternehmen umsetzen, doch es lohnt sich, dabei Allianzen zu suchen und Netzwerken beizutreten. Die CDR Initiative des Bundesministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz besteht seit 2016. Dort besteht die Möglichkeit, sich mit Vorreiter-Unternehmen auszutauschen und Kompetenz zur Umsetzung von digitaler Verantwortung zu erwerben. Mit der Unterzeichnung des CDR-Kodex wird Commitment und Glaubwürdigkeit ausgedrückt.
Zudem haben 2024 die Vereinten Nationen mit ihrem Global Digital Compact (GDC) ein Instrument geschaffen, das Länder, Unternehmen und Zivilgesellschaften zusammenbringen soll, um weltweit ein sicheres, faires und inklusives digitales Umfeld zu schaffen (siehe Infografik). Der Compact deckt wichtige Themen ab wie Datenschutz, Cybersicherheit, digitale Inklusion oder Internet-Governance und bietet so Orientierung bei der verantwortungsvollen Digitalisierung. Wer sich hier engagiert, zeigt nicht nur eigene Haltung, sondern kommt in Kontakt mit internationalen Partnern, die ähnliche Ziele verfolgen - eine wertvolle Quelle für neue Impulse und Innovationen.
Handlungsaufruf: Unterstützung des UN Digital Compact
Bis zum 28. Februar 2025 können sich Organisationen zum Global Digital Compact bekennen und werden im Implementierungsplan des UN-Generalsekretärs berücksichtigt, der im zweiten Quartal 2025 vorgestellt wird. Auch danach ist es weiterhin möglich, den Compact zu unterzeichnen, wobei die Liste der Unterstützer:innen regelmäßig aktualisiert wird. Dieses Engagement kann ein entscheidender Schritt sein, um das eigene Unternehmen zukunftsfest zu machen und weltweit zu zeigen: Nachhaltigkeit hört nicht an der Landesgrenze und nicht am Rand unserer Produktionshallen auf - sie gilt genauso im Digitalen. Wer sich jetzt zum UN Global Digital Compact bekennt, beweist Weitblick und Verantwortungsbewusstsein für ein digitales Ökosystem, das allen zugutekommt.Jetzt den UN Global Digital Compact unterzeichnen
Gerade in Zeiten, in denen die Risiken marktmächtiger Plattformen für die deutsche und europäische Wirtschaft immer deutlicher werden, braucht es Akteur:innen in Unternehmen und Wirtschaft, die sich für den Schutz von Demokratie und Menschenrechten im digitalen Bereich einsetzen. Denn die Frage, wie wir mit Technologie umgehen, geht uns alle an und lässt sich nicht darauf reduzieren, wer gerade in Kalifornien oder anderswo die Plattformen betreibt. Die aktuellen Ereignisse sind ein Weckruf für alle, die in Deutschland nachhaltig wirtschaften wollen. Wer sich dieser Verantwortung stellt, hat nicht nur ein reines Gewissen, sondern stärkt seine Glaubwürdigkeit nach innen und außen - und wird so zum entscheidenden Treiber für eine zukunftsfähige digitale Gesellschaft.
Bei Fragen oder Diskussionsbedarf wendet Euch gerne an die BNW Fachgruppe Digitales (digitales@bnw-bundesverband.de) oder BNW-Mitglied Saskia Dörr, WiseWay (saskia.doerr@wiseway.de).