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BNW-Halbzeitbilanz zur Arbeit der Ampel-Koalition

Halbzeitbilanz zur Arbeit der Ampel-Koalition

Die Bundesregierung hat vor zwei Jahren ihre Arbeit aufgenommen, das bedeutet Halbzeit der Legislaturperiode. Der BNW hat das zum Anlass genommen, ausgewählte im Koalitionsvertrag festgehaltene Vorhaben der Regierung auf deren Umsetzung zu analysieren. Im Fokus stehen die Bereiche Klimaschutz, Energie, Kreislaufwirtschaft, Verkehr, nachhaltiges Wirtschaften und Land- und Ernährungswirtschaft.

In der Gesamtbewertung zeichnet sich ein durchwachsenes Bild ab: Vor allem im Bereich Klimaschutz werden die negativen Entwicklungen offensichtlich. Der Abbau klimaschädlicher Subventionen, die Einführung eines Klimageldes oder der Klimacheck wurden bisher nicht angegangen. Gleichzeitig ist die Bundesregierung aktuell im Inbegriff das Klimaschutzgesetz aufzuweichen. Positive Entwicklungen hingegen gibt es im Bereich der erneuerbaren Energien, Grundlagen für die Energiewende wurden geschaffen. Bedauerlich ist, dass die Bundesregierung hingegen den geplanten Kohleausstieg 2030 nicht gesetzlich verankert hat. Mehr Bewegung kommt in das Thema Kreislaufwirtschaft. Beim Ambitionsniveau der Gesetzesvorhaben gibt es allerdings noch Luft nach oben. Ähnlich sieht es in der Land- und Ernährungswirtschaft aus, auch hier wurde u.a. mit der Strategie zum Ausbau des Ökolandbaus ein guter Vorstoß gemacht, jetzt kommt es auf die Umsetzung an. Zudem kann gespannt darauf geblickt werden, was sich aus der Strategie für Sozialunternehmertum entwickelt und inwiefern die nachhaltige öffentliche Beschaffung durch die aktuelle Arbeit der Bundesregierung einen Schub bekommt. Schlusslicht in bei der Arbeit der Bundesregierung bleibt der Verkehrssektor: hier wurden konsequent Klimaziele gerissen und nötige Maßnahmen, um umzusteuern und die Klimaziele für den Verkehrssektor zu erreichen, nicht auf den Weg gebracht.

In der untenstehenden Analyse lässt sich der Stand der Koalitionsvorhaben Bereich für Bereich detailliert nachlesen.

Klimaschutzpolitik

Die Bundesregierung ist mit dem Ziel angetreten ein zukunftssicheres Regelwerk für ambitionierten Klimaschutz aufzustellen. Die Koalitionsversprechen wurden allerdings nicht eingehalten, damit verfehlt sie dieses Ziel. Eklatant ist vor allem die Überarbeitung des Klimaschutzgesetzes, die voraussichtlich mit einer Vielzahl an Abschwächungen einhergehen wird. Gleichzeitig gibt es bislang keine Bewegung beim Abbau klimaschädlicher Subventionen. Zudem werden sowohl der Klima-Check als auch die CO2-Bepreisung nicht in der geplanten Form umgesetzt.

Passage im Koalitionsvertrag
Wir werden das Klimaschutzgesetz noch im Jahr 2022 konsequent weiterentwickeln und ein Klimaschutz-Sofortprogramm mit allen notwendigen Gesetzen, Verordnungen und Maßnahmen auf den Weg bringen (S. 43).

 

Umsetzung der Bundesregierung
Das Bundeskabinett hat einen Entwurf zur Revision des Klimaschutzgesetzes beschlossen, der aktuell im Bundestag behandelt wird. Der Entwurf sieht eine deutliche Verwässerung des Klimaschutzgesetzes vor. Wichtige Kontrollmechanismen sollen abgeschafft werden. Darunter die verbindlichen Sektorenziele, die die verschiedenen Ressorts bisher dazu verpflichtet haben individuelle Klimaziele zu erreichen. Anstatt dessen soll eine sektorübergreifende Gesamtbewertung eingeführt werden. Wenn Ressorts ihre Ziele nicht erreicht haben, waren sie bisher dazu verpflichtet Sofortprogramme vorzulegen. Auch diese sollen gestrichen werden. Künftig ist die Bundesregierung erst angehalten nachzusteuern, wenn Klimaziele zwei Jahre in Folge verfehlt werden.

 

BNW-Bewertung: Rot
Die Bundesregierung ist mit dem Ziel angetreten ein zukunftssicheres Regelwerk für ambitionierten Klimaschutz aufzustellen. Aktuell ist sie im Inbegriff das Gegenteil zu tun. Die geplante Abschwächung des Klimaschutzgesetzes wäre eine fatale Entscheidung in Hinblick auf den angestrebten Klimapfad.

 

Passage im Koalitionsvertrag
Gewinnung von zusätzlichen Haushaltspielräumen durch die Abschaffung von unwirksamen und umwelt- und klimaschädlichen Subventionen und Ausgaben (S. 129).

 

Umsetzung der Bundesregierung
Es liegt weder Zeitplan noch Entwurf zur Umsetzung vor. 

 

BNW-Bewertung: Rot
Die Stagnation beim Abbau klimaschädlicher Subvention ist negativ zuwerten. Durch den Abbau könnten sowohl zusätzliche Haushaltsspielräume geschaffen als auch Emissionen gemindert werden.

Passage im Koalitionsvertrag
Entwicklung eines sozialen Kompensationsmechanismus (Klimageld), um den Preisanstieg durch die Erhöhung des CO2-Preises zu kompensieren und die Akzeptanz des Marktsystems zu gewährleisten (S. 49).

 

Umsetzung der Bundesregierung
Es liegt weder Zeitplan noch ein Entwurf zur Umsetzung der Bundesregierung vor. 

 

BNW-Bewertung: Rot
Es gibt keine Signale der Bundesregierung, dass das Klimageld zeitnah eingeführt werden soll. Mit einem steigenden CO2-Preis ist die Einführung eines sozialen Ausgleichsmechanmismus dringend notwendig. Die Stagnation bei der Einführung des Klimageldes ist entsprechend negativ zuwerten.

Passage im Koalitionsvertrag
Überprüfung von Gesetzesentwürfen auf Klimawirkung und Vereinbarkeit mit nationalen Klimaschutzzielen (Klimacheck) (S.43).

 

Umsetzung der Bundesregierung
Es gab eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung dazu wie viele Gesetzesentwürfe der aktuellen Bundesregierung einen Klimacheck beinhalteten. Die Bundesregierung antwortete daraufhin: „Die Arbeiten zur Umsetzung des Vorhabens sind noch nicht abgeschlossen“.

 

BNW-Bewertung: Rot
Aktuell ist eine Umsetzung des Klimachecks nicht absehbar, was negativ zuwerten ist. Der Klimacheck würde Klimaschutz sektorübergreifend in die Gesetzgebung integrieren und könnte damit enormes Potenzial entwickeln.

Passage im Koalitionsvertrag
Überarbeitung des Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) im Sinne des EU-Programms „Fit for 55“, dabei wird am bisherigen BEHG-Preispfad festgehalten (S. 49).

 

Umsetzung der Bundesregierung
Das novellierte Brennstoffemissionshandelsgesetzes vom 28.10.2022 sieht einen langsameren Anstieg der CO2-Abgabe vor. Für 2023 wurde die Erhöhung komplett ausgesetzt. Ab 2027 soll der nationale CO2-Markt in den europäischen überführt werden, wie das ausgestaltet werden soll ist bisher noch unklar.

 

BNW-Bewertung: Gelb
Zwar ist eine Erhöhung des CO2-Preises vorgesehen, allerdings unter dem ursprünglich geplanten Pfad. Zusätzlich wurde der CO2-Preis zwischenzeitlich ausgesetzt. Für ambitionierten Klimaschutz braucht es einen effektiven CO2-Preis. Der BNW wertet die aktuelle Erhöhung deshalb als unzureichend, um Klimaziele zuerreichen.

Energiepolitik

Positive Entwicklungen im Bereich der erneuerbaren Energien: Die Bundesregierung hat eine Vielzahl an energiepolitischen Gesetzesänderungen angestoßen und damit einen grundlegenden Baustein für die Energiewende gelegt. Der Ausbau der Erneuerbaren schreitet vor allem im Bereich der Solarenergie gut voran, bei der Windkraft liegt er hingegen noch deutlich unter dem Zielpfad. Im Gegensatz dazu gibt es keine Bewegung beim Ausstieg aus der Kohleenergie. Abzuwarten bleibt, inwiefern die Erhöhung des CO2-Preises durch den europäischen ETS ein gesetzliches Ausstiegsdatum obsolet machen wird.

Passage im Koalitionsvertrag
Beschleunigter Ausstieg aus der Kohleverstromung idealerweise bis 2030 und Überprüfungsschritt aus dem Kohleausstiegsgesetz bis spätestens Ende 2022 (S. 46).

 

Umsetzung der Bundesregierung
Während mit dem Land Nordrhein-Westfalen und dem Tagebaubetreiber RWE ein Ausstieg bis 2030 vereinbart wurde, steht dieser Schritt für die ostdeutschen Reviere noch aus. Nach dem Kohleausstieggesetz gilt hier weiterhin der schrittweise Ausstieg bis 2038. Im Koalitionsvertrag hatte die Bundesregierung zudem die Vorlage eines Zwischenberichts zum Kohleausstiegsgesetz bis spätestens Ende 2022 vorgesehen, dieses Vorhaben wurde nicht umgesetzt.

 

BNW-Bewertung: Rot
Mit dem Zusatz, dass der Ausstieg „idealerweise“ bis 2030 erfolgt hat sich die Bundesregierung die Hintertür für einen verspäteten Kohleausstieg offengehalten. Das spiegelt sich auch in der aktuellen Umsetzung wider: Eine Vereinbarung für einen vorgezogenen Kohleausstieg vor 2030 wurde für die ostdeutschen Reviere nicht verabschiedet. Abzuwarten ist, wie sich der europäische Emissionshandel entwickelt. Im besten Falle würde der Anstieg des CO2-Preises die Energiegewinnung aus Kohle so teuer machen, dass sie sich schon vor Ablauf der gesetzlichen Frist nicht mehr lohnen würde.

Passage im Koalitionsvertrag
Zielsetzung der Bundesregierung, dass im Jahr 2030 80% des Bruttostrombedarfs aus erneuerbaren Energien gewonnen wird (S. 44).

 

Umsetzung der Bundesregierung
Die Bundesregierung hat eine Vielzahl an Gesetzesvorhaben auf den Weg gebracht. Folgend findet sich eine Auswahl besonders relevanter energiepolitischer Änderungen. 2022: Verabschiedung des Osterpakets: Verankerung, dass der Ausbau und Betrieb von erneuerbaren Energien im „überragenden öffentlichen Interesse“ liegt und der öffentlichen Sicherheit dient. Überarbeitung des Wind-an-Land-Gesetzes: 2 Prozent der Länderflächen sollen bis Ende 2032 für Windenergie bereitgestellt werden. Solarpaket: Vereinfachungen für den Ausbau von Solarenergie, unter anderem bei Balkonsolar und Direktversorgungsmodellen.

 

BNW-Bewertung: Grün
Trotz bestehender Potenziale bei individuellen Gesetzesvorhaben: Der Wille zur Energiewende ist in der Vielzahl von Vorhaben zuerkennen und bringt wichtige Neuerungen auf den Weg. Diese Ambition ließ sich in Vorgängerregierungen vermissen. Während der Ausbau der Solarenergie bereits gut voran geht, hinkt der Ausbau der Windenergie noch hinterher (DIW Ampelmonitor Energiewende, 2023).

Kreislaufwirtschaft

Die Bundesregierung hat Kreislaufwirtschaft als Schlüsselthema anerkannt, Agenda-Setterin bleibt aber die EU. Zentrale Vorhaben geht die Bundesregierung deshalb im europäischen Dialog an, was positiv zu werten ist. Mit der Erarbeitung einer Kreislaufwirtschaftsstrategie setzt die Regierung auf Bundesebene einen richtigen Impuls. Bei vielen europäischen und nationalen Vorhaben und Initiativen ist das Ambitionsniveau aber zu niedrig. Gleichzeitig stockt der Prozess bei zentralen Vorhaben wie der Einführung eines Recyclinglabels.

Passage im Koalitionsvertrag
„In einer „Nationalen Kreislaufwirtschaftsstrategie“ bündeln wir bestehende rohstoffpolitische Strategien“ (S.42).

 

Umsetzung der Bundesregierung
Die nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie (NKWS) soll bestehende rohstoffpolitische Strategien bündeln und Anfang 2024 vorgelegt werden. Der bestehende Rechtsrahmen soll in der NKWS auf eine Circular Economy ausgerichtet werden und klare Ziele und Maßnahmen definieren.

 

BNW-Bewertung: Gelb
Die Entwicklung einer ganzheitlichen nationalen Kreislaufwirtschaftsstrategie ist grundsätzlich positiv zu werten. Die Strategie befindet sich aktuell im Erarbeitungsprozess, bei dem der BNW mit einbezogen wurde. Eine abschließende Bewertung ist noch nicht möglich. Berechtige Erwartungen können allerdings voraussichtlich nicht erfüllt werden. Zweifel gibt es vor allem in Hinblick auf die Verbindlichkeit und Wirkkraft des Vorhabens. 

Passage im Koalitionsvertrag
„Wir führen ein Recycling-Label ein“ (S.43).

 

Umsetzung der Bundesregierung
Im August 2023 hat das Umweltbundesamt (UBA) ein Forschungsvorhaben zum Recyclinglabel ausgeschrieben. Das Forschungsprojekt soll bis Ende 2024 laufen und Möglichkeiten und Grenzen ausloten, die eine Kennzeichnung von Produkten hinsichtlich Recyclingfähigkeit und Rezyklatgehalt mitbringen.

 

BNW-Bewertung: Rot
Es ist davon auszugehen, dass das Recyclinglabel in dieser Legislaturperiode nicht umgesetzt wird. Das Vorhaben genießt keine besondere Priorität in der Bundesregierung. Zudem gab es, nach aktuellen Informationen, keine Bewerbungen auf das Forschungsvorhaben des UBA.

Passage im Koalitionsvertrag
„Wir stärken die Abfallvermeidung durch gesetzliche Ziele und ökologisch vorteilhafte Mehrweg-, Rücknahme- und Pfandsysteme sowie Branchenvereinbarungen“ (S. 42).

 

Umsetzung der Bundesregierung
Die Bundesregierung hat zur Umsetzung der Vorgaben der Einwegkunststoffrichtlinie (2019) im Verpackungsgesetz eine Mehrwegangebotspflicht für Lebensmittel und Getränke zum Sofortverzehr eingeführt. Diese gilt seit dem 01.01.2023. Mit einer Novelle im Verpackungsgesetz möchte die Bundesregierung Mehrwegverpackungen weiter stärken. Der Gesetzesentwurf („Gesetz für weniger Verpackungsmüll“) soll u.a. die  Mehrwegangebotspflicht auf alle Verpackungsmaterialien ausweiten und Mehrweg bei Getränken im Lebensmitteleinzelhandel fördern.

 

BNW-Bewertung: Rot
Die Mehrwegangebotsflicht ist in ihrer aktuellen Ausprägung ohne konsequenten Vollzug wenig wirkungsvoll. Die Gesetzesnovelle für weniger Verpackungsmüll befindet sich aktuell in der Ressortabstimmung und hängt dort aufgrund von Uneinigkeiten über die Ausgestaltung fest. Um entsprechende Anreize für Mehrwegangebote zu schaffen, bräuchte es ein entschlosseneres Vorgehen der Bundesregierung. Weitere Initiativen zur Abfallvermeidung oder Stärkung von Rücknahme- und Pfandsystemen sind nach aktuellem Stand nicht bekannt.

Passage im Koalitionsvertrag
„Anforderungen an Produkte müssen europaweit im Dialog mit den Herstellern ambitioniert und einheitlich festgelegt werden. Produkte müssen langlebig, wiederverwendbar, recycelbar und möglichst reparierbar sein. Wir führen digitale Produktpässe ein, unterstützen Unternehmen bei der Umsetzung und wahren das Prinzip der Datensparsamkeit“ (S. 42).

 

Umsetzung der Bundesregierung
Auf EU-Ebene möchte sich die Bundesregierung für einheitliche Ökodesign-Standards einsetzen. Produkte müssen langlebig, wiederverwendbar, recycelbar und möglichst reparierbar sein. In diesem Kontext hat die Bundesregierung im Koalitionsvertrag auch festgehalten digitale Produktpässe (DPP) einführen zu wollen. Die Ökodesign-Verordnung inklusive DPP wird aktuell im europäischen Trilog verhandelt und soll vorraussichtlich spätestens Anfang 2024 verabschiedet werden.

 

BNW-Bewertung: Gelb
Für die Bundesregierung haben das Bundesumweltministerium und das Bundeswirtschaftsministerium federführend verhandelt. Sie konnten hier im Rahmen der Ratsverhandlungen einige progressive Forderungen unterbringen und haben sich konsequent für die Einführung des DPP eingesetzt. Trotzdem bleibt die Verordnung vermutlich unter dem nötigen Ambitionsniveau.

Passage im Koalitionsvertrag
Die Lebensdauer und Reparierbarkeit eines Produktes machen wir zum erkennbaren Merkmal der Produkteigenschaft (Recht auf Reparatur) “ (S. 112).

 

Umsetzung der Bundesregierung
Als zentrales Anliegen wurde die Umsetzung eines Rechts auf Reparatur (Right to Repair) im Koalitionsvertrag verankert. Das Vorhaben wird aktuell auf europäischer Ebene im Trilog diskutiert und könnte Anfang 2024 verabschiedet werden.

 

BNW-Bewertung: Gelb
Das Bundesumweltministerium unterstützt die Vorhaben zur Stärkung von Verbraucher:innenrechte auf EU-Ebene. Darunter auch das Recht auf Reparatur. Die Position des Bundesjustizministeriums ist hier konservativer einzuschätzen. Wie ambitioniert die Bundesregierung auf europäischer Ebene eintritt ist entsprechend noch abzuwarten.

Verkehrspolitik

Die im Koalitionsvertrag vereinbarten verkehrspolitischen Maßnahmen erwiesen sich bereits als unzureichend, um Klimaschutzziele im Verkehrssektor zu erreichen. Der Verkehrssektor hat Klimaziele gerissen und verspätet Sofortprogramme vorgelegt, welche allerdings nicht genügen um die Ziele zu erreichen. Es zieht sich eine konstante negative Entwicklung durch die klimapolitische Arbeit des Verkehrsministeriums. Das zeigt sich unter anderem durch eine unzureichende Förderung klimaneutraler Antriebe und emissionsarmen Verkehrsoptionen, das Festhalten an Autobahnprojekten, klimaschädliche Subventionen sowie den Widerstand gegen die Einführung eines Tempolimits. Eine Wende ist bisher nicht absehbar.   

Passage im Koalitionsvertrag
Wir werden den Nationalen Radverkehrsplan umsetzen und fortschreiben, den Ausbau und die Modernisierung des Radwegenetzes sowie die Förderung kommunaler Radverkehrsinfrastruktur vorantreiben. Zur Stärkung des Radverkehrs werden wir die Mittel bis 2030 absichern und die Kombination von Rad und öffentlichem Verkehr fördern (S. 53).

 

Umsetzung der Bundesregierung
Die Erarbeitung des Nationalen Radverkehrsplans 3.0 sowie weitere Förderprogramme zum Ausbau des Radverkehrs wurden geliefert. Die Absicherung der finanziellen Mittel bis 2030 dafür erfolgte nicht.

 

BNW-Bewertung: Rot
Förderungen von Maßnahmen für den Nationalen Radverkehrsplan sowie die Förderprogramme „Stadt und Land“ und „Fahrradparkhäuser an Bahnhöfen“ wurden angesichts des Bundesverfassungsgerichtsurteils zum Nachtragshaushalt stillgelegt. Die versprochene Sicherung der Mittel für die Stärkung des Radverkehrs ist somit nicht erfolgt. Vielmehr sind im aktuellen Haushaltsplan gegenüber 2022 nur noch etwa die Hälfte der Gelder für den Radverkehrsausbau eingeplant.

Passage im Koalitionsvertrag
Wir werden den vorauslaufenden Ausbau der Ladesäuleninfrastruktur mit dem Ziel von einer Million öffentlich und diskriminierungsfrei zugänglichen Ladepunkten bis 2030 mit Schwerpunkt auf Schnellladeinfrastruktur ressortübergreifend beschleunigen, auf Effizienz überprüfen und entbürokratisieren (S. 51 f.).

 

Umsetzung der Bundesregierung
Mit dem Ausbau des „Masterplan Ladeinfrastruktur II“ wurden Förderprogramme und Maßnahmen zum Ausbau der Ladeinfrastruktur aufgelegt. Auch Unternehmen werden beim Aufbau unternehmenseigener Ladestationen unterstützt.

 

BNW-Bewertung: Gelb
Obwohl der Ausbau von Ladestationen im Gange ist, deutet die aktuelle Entwicklung darauf hin, dass das angestrebte Ziel von 1.000.000 Ladesäulen bis 2030 voraussichtlich nicht erreicht werden wird. Im Juli 2023 wurden lediglich 100.000 Ladestationen verzeichnet, was einem Zuwachs von etwa 30.000 (40%) innerhalb eines Jahres entspricht. Die finanzielle Unterstützung sollte bis 2027 aus dem Klima- und Transformationsfonds (KTF) kommen, diese dürfte nun gefährdet sein.

Passage im Koalitionsvertrag
Wir werden den Masterplan Schienenverkehr weiterentwickeln und zügiger umsetzen, den Schienengüterverkehr bis 2030 auf 25 Prozent steigern und die Verkehrsleistung im Personenverkehr verdoppeln. Den Zielfahrplan eines Deutschlandtaktes und die Infrastrukturkapazität werden wir auf diese Ziele ausrichten (S. 49).

 

Umsetzung der Bundesregierung
Der Ausbau der Bahninfrastruktur wurde mit der Weiterführung und dem Ausbau des Masterplans Schienenverkehr begonnen.

 

BNW-Bewertung: Gelb
Die Nutzung der Einnahmen aus der LKW-Maut für Investitionen in die Bahninfrastruktur ist positiv zu werten. Weiteren Investitionen über den Haushalt 2023 und 2024 hinaus können vor dem Hintergrund des aktuellen Urteils des Bundesverfassungsgerichts zum Nachtragshaushalt nicht mehr garantiert werden. Für den Ausbau sollten Gelder aus dem Klima- und Transformationsfonds genutzt werden. Aktuell bleibt offen, woher jene Mittel künftig stammen sollen.

Passage im Koalitionsvertrag
Wir werden 2023 eine CO2-Differenzierung der LKW-Maut vornehmen, den gewerblichen Güterkraftverkehr ab 3,5 Tonnen einbeziehen und einen CO2-Zuschlag einführen, unter der Bedingung, eine Doppelbelastung durch den CO2-Preis auszuschließen (S. 49).

 

Umsetzung der Bundesregierung
Die versprochene CO2-Differenzierung der LKW-Maut gilt seit dem 1. Dezember 2023 mit einem Preis von 200€ pro Tonne CO2. Die geschätzten Mehreinnahmen von 26,6 Milliarden Euro fließen in den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur, unter anderem dem Schienenverkehr.

 

BNW-Bewertung: Grün
Die CO2-Differenzierung der LKW-Maut ist eine positive Entwicklung. Die Verwendung des Geldes für den Ausbau der Bahninfrastruktur ist ebenso begrüßenswert.

Passage im Koalitionsvertrag
KV-Terminals wollen wir weiter fördern, die Kranbarkeit von Standard-Sattelaufliegern vorantreiben und den Zu- und Ablauf bis max. 50 Kilometer von der Lkw-Maut freistellen (S. 50). (Werden Güter von der Schiene weitertransportiert, sollen bis 50 Kilometer Verkehrsweg mit dem LKW von der Maut befreit werden).

 

Umsetzung der Bundesregierung
Es liegen derzeit keine Pläne vor das im Koalitionsvertrag formulierte Versprechen umzusetzen.

 

BNW-Bewertung: Rot
Die Befreiung von der LKW-Maut für den Zu- und Ablauf im Güterverkehr wäre ein sinnvoller Anreiz für den Transport von Gütern auf Schienen und eine sinnvolle Möglichkeit zur Vernetzung von Verkehrsträgern. Dass diese Möglichkeit derzeit keine Umsetzungsperspektive hat, ist negativ zu werten.

Nachhaltige Wirtschaftspolitik

Bei der Analyse beziehen wir uns auf eine kleine Auswahl von für die nachhaltige Wirtschaft relevanten aktuellen nationalen Gesetzesvorhaben. Positiv zu werten ist, dass die Bundesregierung die nationale Strategie für Sozialunternehmen auf den Weg gebracht hat, auf diesem Fundament kann künftig aufgebaut werden. Ebenfalls positiv: Die Wichtigkeit von nachhaltiger öffentlicher Beschaffung wurde im Koalitionsvertrag anerkannt und die Transformation des Vergaberechts angestoßen. Abzuwarten bleibt, ob diese Maßnahmen der nachhaltigen öffentlichen Beschaffung einen Schub geben werden.

Passage im Koalitionsvertrag
Erarbeitung einer nationalen Strategie für Sozialunternehmen zur Unterstützung gemeinwohlorientierter Unternehmen und sozialer Innovationen (S. 25).

 

Umsetzung der Bundesregierung
Die Nationale Strategie für Sozialunternehmen zur Unterstützung gemeinwohlorientierter Unternehmen und sozialer Innovationen wurde am 13.09. vom Bundeskabinett verabschiedet.

 

BNW-Bewertung: Grün
Die Strategie ist ein deutliches Signal, dass die Bundesregierung die Relevanz der Themen soziale Innovation und gemeinwohlorientiertes Unternehmertum anerkennt und ein solides Fundament schafft, auf dem künftig aufgebaut werden muss.  

Passage im Koalitionsvertrag
Die Bundesregierung wird die öffentliche Beschaffung und Vergabe wirtschaftlich, sozial, ökologisch und innovativ ausrichten und die Verbindlichkeit stärken, ohne dabei die Rechtssicherheit von Vergabeentscheidungen zu gefährden oder die Zugangshürden für den Mittelstand zu erhöhen (S. 27).

 

Umsetzung der Bundesregierung
Das federführende Bundeswirtschaftsministerium möchte ganz explizit eine stärkere Berücksichtigung von innovativen, ökologischen und sozialen Aspekten bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen verankern. Es hat eine öffentliche Konsultation zur „Transformation des Vergaberechts“ stattgefunden, aber konkrete Entwürfe für eine Novellierung des Vergaberechts liegen bislang nicht vor.

 

BNW-Bewertung: Gelb
Die Bundesregierung hat die öffentliche Beschaffung als wesentlichen Beschleuniger der sozial-ökologischen Transformation erkannt. Der angestoßene Prozess zur Transformation des Vergaberechts ist als positives Zeichen zu werten, allerdings liegen keine konkreten Entwürfe zur Novellierung vor. Nun liegt es an der Umsetzung: Zentral wird dabei sein, sowohl den Verwaltungsaufwand von Beschaffungsverfahren zu reduzieren und gleichzeitig ökologische und soziale Aspekte stärker zu berücksichtigen.

Land- und Ernährungswirtschaft

Es genügt nicht, ein Ziel von 30% Bio zu formulieren – es braucht auch Maßnahmen für den Weg dorthin. Das bedeutet auch 30% Bio-Verarbeitung und 30% für die Bio-Forschung – hier klaffen Anspruch und Wirklichkeit auseinander. Eine Mehrwertsteuerreduzierung für beispielsweise pflanzliche oder Bio-Lebensmittel würde positive Effekte im Sinne der Erreichung der Nachhaltigkeitsziele der Bundesregierung haben. Die Bio-Strategie gehört genauso im Kabinett verankert, wie der Schutz unserer Kinder und Tiere.

Passage im Koalitionsvertrag
Wir werden die gesamte Landwirtschaft in ihrer Vielfalt an den Zielen Umwelt- und Ressourcenschutz ausrichten (Ökologischer Landbau). Wir wollen eine Landwirtschaft im Einklang von Natur und Umwelt weiterentwickeln. Wir wollen 30 Prozent Ökolandbau bis zum Jahr 2030 erreichen. (S. 46)

 

Umsetzung der Bundesregierung
Die Pläne zum Ausbau des ökologischen Landbaus wurden im November 2023 vorgestellt.

 

BNW-Bewertung: Gelb
Die Bio-Strategie 2030 des Bundeslandwirtschaftsministeriums zeigt die Bereitschaft, das vereinbarte Ziel von 30% Ökolandbau bis 2030 in der Land- und Ernährungswirtschaft zu erreichen. Aber das Commitment des gesamten Kabinetts fehlt sowie eine Konkretisierung der Maßnahmen.

Passage im Koalitionsvertrag
Wir führen ab 2022 eine verbindliche Tierhaltungskennzeichnung ein, die auch Transport und Schlachtung umfasst (S.43).

 

Umsetzung der Bundesregierung
Das Tierhaltungskennzeichen wurde eingeführt. Von einer Inklusion von Transport und Schlachtung wurde allerdings abgesehen.

 

BNW-Bewertung: Gelb
Das Tierhaltungskennzeichen ist ein Schritt für mehr Tierwohl. Dass der Transport sowie die Schlachtung dabei ausgelassen wurden, ist negativ zu werten. „Stall“ als Haltungsstufe zementiert außerdem den tierschutzwidrigen Status Quo in den Ställen, das ist kein Fortschritt. Freiland- und Biobetriebe sollten finanziell gefördert werden.

Passage im Koalitionsvertrag
An Kinder gerichtete Werbung für Lebensmittel mit hohem Zucker-, Fett- und Salzgehalt darf es in Zukunft bei Sendungen und Formaten für unter 14-Jährige nicht mehr geben (S. 45).

 

Umsetzung der Bundesregierung
Seit Sommer 2023 gibt es einen Gesetzesvorschlag zum Werbeverbot ungesunder Lebensmittel für Kinder. Auf eine Umsetzung konnte sich die Bundesregierung bisher nicht einigen.

 

BNW-Bewertung: Gelb
Die Initiative für das Gesetz zum Schutz der Kinder bewerten wir grundsätzlich positiv. Die regierungsinternen Uneinigkeiten verhindern bisher allerdings konkrete Umsetzungspläne – die Bundesregierung sollte hier an einem Strang ziehen.