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Lebensmittelproduktion mit Verantwortung

Klimaschutz Mitgliedsunternehmen
[vc_row][vc_column][vc_column_text]Im Jahr 2007 kamen Jürg Knoll und Harri Butsch zu der folgenschweren Erkenntnis, dass es mit der konventionellen Lebensmittelproduktion so nicht weiter gehen kann. Sie gründeten followfood (Mitglied im Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft) und setzen seitdem ausschließlich auf nachhaltige und transparente Lebensmittel. Auf jeder Verpackung ist ein Tracking-Code, mit dem sich nachvollziehen lässt, woher die Lebensmittel stammen. Inzwischen ist followfood zu einer Bewegung geworden. Wir sprechen mit Julius Palm, Sustainability & Innovation bei followfood, im Interview über Werte, Klimaneutralität und die sozial-ökologische Transformation. followfood ist nicht nur Lebensmittelunternehmen sondern auch eine Bewegung. Was bedeutet das? Unser Unternehmensziel ist nicht die Kapitalvermehrung. Wir wollen zur sozial-ökologischen Transformation und Zukunftsfähigkeit der Gesellschaft beitragen. Wir verstehen uns nicht als herkömmliches Unternehmen, welches in einem scheinbar von der Welt losgelösten und abgeschlossenen System namens Wirtschaft agiert. Wir verstehen uns als Teil der Gesellschaft und als Teil der Ökosysteme. Unser Handeln als followfood hat über die vermeintlichen unternehmerischen Grenzen Auswirkungen auf die Welt. Dafür müssen wir Verantwortung übernehmen. Nehmen wir dieses Selbstverständnis ernst, geht damit automatisch ein anderer Geschäftszweck, eine andere Unternehmensvision, ein neues Verantwortungsgefüge einher. Auf einmal ist unser Zweck nicht mehr die Kund:innen zufriedenzustellen und dabei maximalen Gewinn zu machen. Jetzt geht es darum gemeinsam uns den Problemen unserer Zeit zu stellen und an einer Vision für eine zukunftsfähige Gesellschaft zu arbeiten. Dabei fühlen wir uns mehr als Teil einer Bewegung und weniger als ein bloßer Wirtschaftskörper. Weil wir eine Vision haben, die größer ist als wir selbst, die für mehr steht als nur unternehmerischen Erfolg. Wir träumen von einer Welt, in der wir mit der Natur statt gegen sie arbeiten und unser Handeln Ressourcen auf- statt abbaut. In der wir klimapositiv statt negativ wirken. In der die Lebensmittelproduktion nicht nur effizient, sondern auch schön und menschlich ist. Für so eine Vision wollen wir Leuchtturm sein und zeigen wie es gehen kann. Aber es braucht mehr als followfood und mehr als starken Willen. Es braucht einen Bewusstseinswandel. Es braucht eine Bewegung. Worin besteht dieser Werte- oder Bewusstseinswandel? Es reicht nicht die Probleme zu kennen. Es reicht nicht Etwas weniger schlecht zu machen. Wir müssen unser Wertegerüst und unsere Leitbilder verändern. Unser Bezugsrahmen für unser Handeln muss und wird sich erneuern. Gestalten statt Kontrollieren, Vielfalt statt Einheitlichkeit, Kreisläufe statt Einbahnstraßen. Es braucht eine sozial-ökologische Transformation der Gesellschaft. Die zentrale Erkenntnis, die, wenn man sie ernst nimmt, alles verändern wird: wir sind ein Teil dieser Welt, ein Teil der Ökosysteme. Wir glauben, dass dieser Bewusstseinswandel nur mit positiven Bildern einer möglichen Zukunft schaffbar ist. Eine Zukunft auf die wir uns freuen können. Eine Zukunft, die Spaß macht. Eine Zukunft, für die es sich lohnt zu kämpfen. An diesen Bildern, an dieser Zukunft wollen wir arbeiten, denn dass ist es, was die Menschen bewegt! Woher kommt der Wunsch, dass followfood schon 2021 klimaneutral sein wird? Hat die Entrepreneurs For Future Bewegung dahingehend einen Impuls geleistet? Weil 2050 zu spät ist. Dabei geht es nicht um Alarmismus, sondern um die notwendige Erkenntnis, dass wir noch ca. 10 Jahre haben um die Weichen zu stellen und Kipppunkte zu verhindern. Der Wunsch kommt aber auch aus dem zuvor beschriebenen unternehmerischen Selbstverständnis. Entrepreneurs For Future hat uns hier darin bestätigt, dass wir als Pionier:innen auf dem richtigen Weg sind und dass wir mit unserem Gefühl einer Bewegung nicht falsch liegen. Es ist für uns ein notwendiger und konsequenter Schritt. Wir können diese Form Unternehmen und Gesellschaft zu denken nur umsetzen, wenn wir neue Kennzahlen erheben, anhand derer wir bewerten ob etwas erfolgreich ist oder nicht. Wachstum und Gewinn sind hierfür längst nicht mehr ausreichend und schon gar nicht zentral. Was nutzt uns ein unglaublich gewinnstarkes Unternehmen, wenn es unsere Lebensgrundlage zerstört und keinen gesellschaftlichen Mehrwert leistet? Oder anders herum: Warum soll ein Unternehmen, das für mehr Biodiversität, Bodenfruchtbarkeit und fairere Arbeitsbedingungen sorgt geringer bewertet werden, als ein Unternehmen das zwar unglaublich profitabel ist, mit seinen Produkten jedoch Ökosysteme zerstört, für Müll sorgt und Arbeitsbedingungen nicht beachtet? Zu errechnen, welchen Einfluss das eigene Handeln auf das Klima hat und diesen so gut es geht zu verringern, ist hier ein wichtiger Bestandteil. Was sind eure Schritte zur Klimaneutralität (Umstellungsprozess)? Absolute Klimaneutralität gibt es leider noch nicht. Es gibt noch keine Produktions- und Logistikprozesse, die komplett ohne Emissionen auskommen. Doch es gibt Wege wie man heute schon einen Unterschied machen kann. Die Formel: vermeiden, verringern, kompensieren. In dieser Rangfolge. Kompensation dient hier nur als Übergang, für die Emissionen, die wir noch nicht vermeiden können und nicht als Legitimation eines „weiter so“. Der erste Schritt ist jedoch eine detaillierte Erhebung des Status Quo. Zusammen mit dem gemeinnützigen Unternehmen myclimate (Mitglied im Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft) haben wir anhand 16 verschiedener Indikatoren unsere gesamte Lieferkette, Büros, Geschäftsreisen etc. analysiert. Bei knapp 100 Produkten und Dutzenden Lieferant:innen und internationalen Lieferketten war das ein enormer Aufwand. Aber nun wissen wir exakt welchen Schaden unser Tun verursacht. Von Treibhausgasen, über Wasserverbrauch bis Landnutzung. Das heißt, wir haben uns nicht nur CO2 oder Treibhausgase angeschaut, sondern eine umfassende Umweltwirkungsanalyse über alle Ebenen (Scope1, Scope2 und Scope3) durchgeführt. Bis zurück zur Fischerei oder zu den Landwirt:innen. Nun kommt die Formel ins Spiel. Das heißt Erstens: alles was heute vermieden werden kann, vermeiden. Beispiel: Kurzfristig haben wir bei unserer Thunfischfischerei auf den Malediven dazu beigetragen die Dieselgeneratoren durch Solarstrom zu ersetzen. So sparen sie bis zu 1 Millionen Liter Diesel im Jahr. Wir arbeiten aber auch an langfristigen Konzepten wie der regenerativen Landwirtschaft, auch Carbon Farming genannt. Wie der Name andeutet, wirkt sie regenerierend und speichert enorme Mengen CO2 im Boden. Das Ideal dahinter ist, dass sich Bodenfruchtbarkeit erhöht und nicht verringert und Treibhausgase gebunden, statt freigesetzt werden. Sozusagen klimapositiv. Wir werden 2022 das erste Produkt aus einer Methode regenerativer Landwirtschaft haben und planen langfristig jedes Jahr einen Hof auf dem Weg zur Regenerativität zu begleiten. Zweitens: Die Negativeinflüsse die nicht vermieden werden können, so gut es geht verringern. Ein Beispiel hierfür ist, dass wir durch Design- und Materialänderungen in den letzten zwei Jahren ca. 15 Prozent an Verpackung eingespart haben oder auf ökologische Cradle to Cradle Farben umgestellt haben. Drittens: Wo ein Verringern noch nicht möglich ist, sollte wenigstens durch ausgleichende Maßnahmen kompensiert werden. Wir werden 2021 20 Prozent unseres Jahresgewinns von 2019 investieren um unsere restlichen Negativeinflüsse zu kompensieren. Das ist für uns viel Geld. Aber notwendig, wenn wir konsequent unserer Verantwortung gerecht werden wollen. Hier setzen wir auf einen Mix. Zum einen, Projekte mit sofortiger Wirkung, welche Kochstellen optimieren für die Verringerung von Emissionen und für weniger Waldabholzung. Zum anderen, Projekte die für die langfristige Bindung von CO2 sorgen, wie zum Beispiel nachhaltige Aufforstungsprojekte in Nicaragua und Moorprojekte in Deutschland, wie auch der Bodenfruchtbarkeitsfond zum Bodenaufbau in der Region. Wichtig dabei ist, dass die Projekte auch immer einen sozialen Impact haben. Die Seriosität der Projekte ist zentral, weshalb wir auf Zertifizierungen wie den Gold Standard setzen. Was sind die schwierigsten Aufgaben, an denen ihr für die angestrebte Klimaneutralität ansetzen müsst? Mit dem Frust umgehen, dass nicht alles sofort auf klimapositiv umgestellt werden kann. Denn wie jeder Wandel, braucht auch dieser seine Zeit. Da sind wir manchmal etwas ungeduldig. Aber die Ungeduld treibt uns an. Aber konkret. Viele meinen, dass das größte Problem die weiten Transporte seien würden. Jedoch machen tatsächlich diese den kleinsten Teil der Ökobilanz unserer Produkte aus. Viel wichtiger ist, wie wird das Gemüse angebaut, wie wird der Fisch gefangen, wie generiert die Produktion ihren Strom, welche Verpackungsmaterialien verwenden wir etc.? In vielen Punkten sind wir zum Glück schon sehr weit. Doch auch wir sind natürlich nicht am Ende der Bemühungen für eine klimapositive Lebensmittelproduktion. Sonst wäre es ja keine Herausforderung. Da wir mit Partnern:innen zusammenarbeiten und keine eigenen Produktionen besitzen können wir nicht einfach von heute auf morgen den Schalter umlegen. Das ist erstmal mehr Aufwand, da wir viel Abstimmungs- und Überzeugungsarbeit bei unseren Partnern:innen leisten müssen. Klingt erstmal wie ein Nachteil. Ich empfinde es jedoch eher als Vorteil. Denn hätten wir eigene Produktionen, bin ich mir nicht sicher ob wir so schnell große Investitionen und Umstellungen finanziell selbst tragen könnten. Jetzt befinden wir uns in einem partnerschaftlichen Netzwerk und können gemeinsam einen viel größeren Hebel umlegen und stecken auch noch andere mit Gedanken der Klimaneutralität an. Eure Vision ist es, in Zukunft zu einem klimapositiven Unternehmen zu werden. Welche möglichen Ansatzpunkte gibt es dahingehend schon? Klimaneutralität reicht für uns nicht aus. Sie ist für uns nur ein konsequenter Schritt in Richtung klimapositiv. Unsere Ökosysteme und unser Klima sind in Teilen schon so zerstört, dass ein reiner Gedanke der Nachhaltigkeit im Sinne „So viel rausnehmen wie nachwächst“, also den Zustand neutral halten, nicht mehr überall ausreicht. Selbst unter nachhaltiger Bewirtschaftung können sich einige nicht mehr regenerieren. Deshalb braucht es mehr als Nachhaltigkeit. Regenerativ, bzw. Klimapositiv sozusagen. Deshalb arbeiten wir, wie schon erwähnt, in unserer Bodenretter Initiative zusammen mit Landwirt:innen an der Etablierung Regenerativer Landwirtschaftskonzepte. Hier geht es genau darum. Durch eine produktive Nutzung am Beispiel der Natur werden die Ökosysteme nicht nur neutral gehalten, sondern werden regeneriert und aufgebaut. So wird CO2 im Boden gebunden, statt freigesetzt. Boden wird aufgebaut, statt abgebaut. Artenvielfalt erhöht sich, statt zu sinken. In den Nachhaltigkeitstheorien nennt sich das eine synergetische Lösung. Ein Ansatz für mehrere Probleme. Der Gedanke, dass die produktive Nutzung von Ökosystemen diese gesünder und noch produktiver werden lässt, ist für uns so aufregend und sinnvoll. Klimapositiv ist ein Aspekt davon. Wir wollen zu einem regenerativen Unternehmen werden. Mit der Klimaneutralität nehmt ihr erneut eine Leuchtturmfunktion in der Lebensmittelbranche ein. Warum denkst du, fällt es anderen Unternehmen schwer diesen Schritt zu gehen? Einige sagen uns: Ihr könnt das machen, weil ihr noch nicht so groß seid und es euer USP ist. Doch 20 Prozent des Jahresgewinns ist für uns sehr viel Geld und auch eine große Entscheidung. Natürlich werden dafür andere Projekte und Investitionen erstmal nicht möglich sein. Aber das ist eine Frage der Priorisierung und des Wollens. So auch unser USP. Ich habe Geschäftsführer:innen kennengelernt, die hoch technische Geräte für den B2B Bereich herstellen und auf Grund ihres Produkts nicht unbedingt Schritte in Richtung klimaneutral gehen müssten. Doch sie tun es, weil sie die Verantwortung als Unternehmen spüren hier aktiv zu werden und wissen, dass es sich langfristig unternehmerisch auszahlt. Aber klar. Ab einer gewissen Größe und mit Investor:innen im Haus, die auf die Rendite schauen, ist die Entscheidung nicht mehr so einfach. Aber gerade hier sind die finanziellen Kosten erst recht leistbar! Was muss sich ggf. politisch ändern, damit Klimaneutralität bei Unternehmen zum Standard wird? Es müsste Einzug in die Ordnungspolitik finden, dass es die Pflicht jedes Unternehmens wäre den eigenen Fußabdruck, nicht nur ökologisch, sondern auch sozial, zu erfassen und darüber transparent zu kommunizieren. Das gilt nicht nur für die Klimaneutralität, sondern auch für wichtige Instrumente und Visionen wie beispielsweise die Gemeinwohl-Ökonomie, für die wir uns auch gerade bilanzieren. Würden die darin erfassten Kennzahlen und die daraus folgenden Bemühungen für das Gemeinwohl, bzw. die Ökosysteme zum Beispiel steuerlich berücksichtigt werden, wäre ein viel größerer Anreiz gegeben sich in diese Richtung zu entwickeln. Mehr noch. Auch der Konsum würde sich ändern. Stellen Sie sich vor, am Ende wäre nicht das Produkt am billigsten, was am meisten Schaden anrichtet, weil es besonders kostenschonend produziert wurde, sondern das Produkt, was am besten für das Gemeinwohl, die Ökosysteme, das Klima ist. Bio wäre das „Normale“ und kein Luxus. Und es ist nicht so, als wäre das ein künstlich, durch Steuern subventionierter Preis. Vielmehr wäre es endlich richtig gerechnet, da externalisierte Kosten wie Umweltverschmutzung und Emissionen einberechnet werden und als kostenrelevanter Faktor gelten würden. Diese mögliche Transformation geht nicht ohne Transparenz, weshalb sie einer der wichtigsten Säulen für uns ist. Wir sind nicht nur klimaneutral gestellt, sondern veröffentlichen über unseren Trackingcode die Ökobilanz jedes einzelnen Produktes. Es sollte für jedes Unternehmen Pflicht sein, die eigenen ökologischen Auswirkungen transparent und nachvollziehbar zu machen. Vielen Dank für das motivierende Interview! [/vc_column_text][vc_separator][vc_row_inner][vc_column_inner width="1/4"][vc_single_image image="21044" img_size="medium"][/vc_column_inner][vc_column_inner width="3/4"][vc_column_text]Julius Palm beschäftigt sich schon seit seinem Studium der Kulturwissenschaften mit der Frage der Zukunftsfähigkeit von Gesellschaften und den gesellschaftlichen Naturverhältnissen. Da sich für Ihn die Zukunft maßgeblich daran entscheidet, was auf unserem Teller landet, liegt sein Fokus auf der Lebensmittelproduktion. Deshalb setzt er sich heute als Director of Sustainability and Innovation bei followfood für eine regenerative Lebensmittelwirtschaft ein.[/vc_column_text][/vc_column_inner][/vc_row_inner][/vc_column][/vc_row]