Die Energiewende ist eine der größten Herausforderungen und zugleich Chancen unserer Zeit. Sie ist nicht nur entscheidend für den Klimaschutz, sondern auch ein zentraler Treiber für Energiesicherheit, Innovation, Arbeitsplätze und wirtschaftliche Stabilität. Dennoch wird sie immer wieder von Mythen und Missverständnissen wie auch von gezielten Falschinformationen begleitet, die ihre gesellschaftliche Akzeptanz gefährden. Der Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft e.V. (BNW) möchte mit hier sachlich fundiert aufklären und die Grundlage für eine faktenbasierte Debatte schaffen.
Die Annahme, dass Erneuerbare Energien zu teuer sind, beruht auf veralteten Daten. Die Gestehungskosten für Solarenergie sind zwischen 2010 und 2020 global um 85 % gesunken, und sowohl Photovoltaik- als auch Windkraftanlagen produzieren Strom inzwischen in der Regel günstiger als fossile Kraftwerke (IRENA. 2021. Renewable Power Generation Costs in 2020. ). Gleichzeitig entfallen externe Kosten wie Umwelt- und Gesundheitsschäden, die fossile Energien verursachen und Gesellschaft sowie Volkswirtschaft erheblich belasten. Erneuerbare Energien bieten langfristig stabile und oft günstigere Preise, da Sonne und Wind keine Rohstoffkosten verursachen und ihre Betriebskosten im Vergleich zu fossilen Kraftwerken deutlich niedriger sind. Dies schützt zugleich vor der Volatilität der Preise für fossile Energieträger, die durch geopolitische Krisen oder Rohstoffverknappung stark schwanken können. Ein zentraler Aspekt dabei ist der Merit-Order-Effekt: Auf dem Strommarkt verdrängen erneuerbare Energien aufgrund ihrer geringen Grenzkosten teurere fossile Kraftwerke, was den Börsenstrompreis insgesamt senkt (Fraunhofer ISI. 2015. Auswirkungen des Merit-Order-Effektes auf Strompreise für Verbraucher. Online).
Moderne Energiesysteme gewährleisten Versorgungssicherheit auch mit hohen Anteilen erneuerbarer Energien. Technologien wie Batteriespeicher, Power-to-X, intelligentes Lastmanagement und der Ausbau grenzüberschreitender Stromnetze ermöglichen eine stabile Stromversorgung. Länder wie Dänemark demonstrieren bereits heute, dass ein Anteil fluktuierender erneuerbarer Energien von über 50% an der Stromversorgung keine Instabilität verursacht (Statista. 2025. Anteil der Energieträger an der Nettostromerzeugung in Dänemark in den Jahren von 2022 bis 2024. Online). Ergänzend können flexible Kraftwerke Schwankungen im Energieangebot ausgleichen.
Deutschland verfügt über ausreichende natürliche Ressourcen, um seinen Strombedarf aus erneuerbaren Energien zu decken (UBA. 2024. Erneuerbare Energien in Zahlen. Online). Wissenschaftliche Studien belegen, dass allein das technische Potenzial für Windenergie an Land den deutschen Strombedarf um ein Mehrfaches übersteigt (UBA. 2013. Potenzial der Windenergie an Land. Online). Offshore-Windparks in der Nord- und Ostsee, Agri-Photovoltaik auf landwirtschaftlichen Flächen sowie dezentrale Lösungen wie Solaranlagen auf Dächern und Fassaden bieten zusätzliche erhebliche Kapazitäten (BMEL. 2024. Agri-Photovoltaik. Online). Agri-Photovoltaik, bei der landwirtschaftliche Flächen sowohl für die Nahrungsmittelproduktion als auch für die Energiegewinnung genutzt werden, bietet eine effektive Doppelnutzung, ohne wertvollen Boden zu versiegeln. Die Integration erneuerbarer Energien aus Nachbarländern ermöglicht zudem eine europäische Energiewende, die die Versorgungssicherheit zusätzlich erhöht (Europäische Kommission. 2024. Lage der Energieunion 2024. Online). Dieses umfassende Potenzial birgt laut Studien sogar die Möglichkeit, durch eine koordinierte Ausbauplanung den gesamten Energiebedarf einschließlich Wärme und Verkehr durch erneuerbare Energien zu decken (DIW Berlin. 2021. 100 Prozent erneuerbare Energien für Deutschland: Koordinierte Ausbauplanung notwendig. Online). Damit dieser Übergang sozial gerecht erfolgt und die Belastung durch fossile Energien ausgeglichen wird, ist ein fairer Ausgleich notwendig. Wie ein solcher Ausgleich gestaltet werden kann, hat der BNW bereits in einem Positionspapier skizziert. So wird die Energiewende nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch und sozial zur besten Wahl.
Moderne Solarmodule sind so effizient, dass sie auch bei diffusem Licht- wie es in Mitteleuropa häufig vorkommt- zuverlässig Strom produzieren. Deutschland gehört weltweit zu den führenden Ländern in der Nutzung von Solarenergie. Regionen wie Bayern und Baden-Württemberg bieten besonders gute Bedingungen, aber auch nördliche Standorte tragen signifikant zur Energiegewinnung bei. Große Solarparks entstehen längst ohne Förderung – im Gegensatz zu fossilen Anlagen, bei denen die Betreiber nur Neubauten mit staatlicher Absicherung angehen wollen (Frauenhofer ISE. 2025. Aktuelle Fakten zur Photovoltaik in Deutschland. Online). Solaranlagen auf Dächern, Fassaden und in Kombination mit Speichern bieten zudem eine dezentrale Lösung, die landesweit funktioniert und bei denen Erzeugung mit Verbrauch direkt zusammenkommt.
Die technologische Entwicklung im Bereich Energiespeicherung schreitet rapide voran. Lithium-Ionen-Batterien, Wasserstofflösungen und innovative Ansätze wie thermische Speicher, Redox-Flow-Batterien oder die Vehicle-to-Grid-Technologie (V2G) stehen bereits zur Verfügung und werden zunehmend eingesetzt (Fraunhofer ISI. 2025. Batterieforschung am Fraunhofer ISI. Online). Die V2G-Technologie ermöglicht es, Elektrofahrzeuge nicht nur als Verbraucher, sondern auch als dezentrale Energiespeicher zu nutzen, indem sie überschüssigen Strom ins Netz zurückspeisen können. Erste großvolumige Speicherlösungen sind in Betrieb und tragen dazu bei, Überschüsse aus erneuerbaren Energien zu speichern und das Stromnetz bei schwankendem Energieangebot stabil zu halten (Engie Deutschland. 2021. Speichertechnologien: Schlüsselfaktor und Gamechanger für die Energiewende. Online; Europäische Investitionsbank. 2024. Leitungen und Batterien – darauf kommt es jetzt an. Online). Die Herausforderung liegt weniger in der technischen Reife, sondern in der Skalierung der Produktion und der dadurch erreichbare Kostenreduktion, die durch weitere Investitionen erreicht werden kann. Fortschritte bei der Fertigung und Forschung zu alternativen Materialien werden die Kosten weiter senken, die Verfügbarkeit erhöhen und die Integration innovativer Technologien vorantreiben.
Die Umweltauswirkungen erneuerbarer Energien sind im Vergleich zu fossilen Energieträgern minimal. Moderne Windkraftanlagen verfügen über ausgefeilte Schutzmechanismen für Vögel und Fledermäuse (Bundesamt für Naturschutz. 2024. Fledermausschutz und Windenergieanlegen. Online). Solaranlagen können durch die Nutzung bereits versiegelter Flächen, wie Dächer, Parkplätze oder Fassaden, zusätzlichen Flächenverbrauch vermeiden und Agri-Photovoltaik-Systeme ermöglichen die gleichzeitige landwirtschaftliche Nutzung und Energieerzeugung, wodurch Biodiversität gefördert und der Flächenkonflikt entschärft wird – vorausgesetzt, die Naturverträglichkeit wird bei der Planung ausreichend berücksichtigt (Bundesamt für Naturschutz. 2024. Häufig gefragt: Solarparks und Biodiversität. Online; NABU. 2023. Mehrfachnutzung durch Agri-Photovoltaik.). Die Alternative – fortschreitender Klimawandel durch fossile Energien – stellt eine weitaus größere Bedrohung für Ökosysteme und Artenvielfalt dar. Technologien wie umweltfreundlichere Rotoren, bessere Standortplanung und Maßnahmen zum Schutz der Biodiversität minimieren den Einfluss auf die Umwelt kontinuierlich weiter. Auch mit Blick auf die Seltenen Erden lässt sich feststellen, dass der Verbrauch oft allein der Energiewende zugeschrieben wird, doch 2019 entfielen 57 % des Neodyms auf Verbrennungsmotoren, nur 13 % auf E-Autos und Windkraftanlagen (Südwind. 2023. Seltene Erden: Umkämpfte Rohstoffe der Zukunft). Zudem setzen einige Windkrafthersteller bereits auf Technologien ohne Permanentmagnete, um die Abhängigkeit weiter zu reduzieren. Eine Erzählung, welche die Verkehrs- und Energiewende als alleinigen Treiber der Nachfrage nach Seltenen Erden darstellt, verstellt den Blick auf Einsparungspotenziale in anderen Bereichen.
Der Wandel schafft deutlich mehr Arbeitsplätze als er kostet. In Deutschland sind bereits über 300.000 Menschen in der Branche der erneuerbaren Energien beschäftigt – eine Zahl, die durch den weiteren Ausbau und neue Technologiefelder wie Wasserstoff, Speichertechnologien und nachhaltige Mobilität noch erheblich steigen wird (UBA. 2024. Indikator: Beschäftige im Bereich Erneuerbare Energien. Online). Zudem entstehen qualitativ hochwertige Arbeitsplätze in Zukunftsbranchen, die langfristige Perspektiven bieten und die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts Deutschland stärken. Darüber hinaus schafft die Energiewende neue Geschäftsfelder und Exportchancen. Die internationale Nachfrage nach umweltfreundlichen Energielösungen sorgt für zusätzliche Beschäftigung. Auch wenn gleichzeitig in fossilen Branchen Arbeitsplätze verloren, werden: Ein Festhalten an überkommenen Geschäftsmodellen kann Jobs nicht auf Dauer sichern, sondern sorgt vielmehr dafür, dass die deutsche Wirtschaft abgehängt wird. Weiterentwicklung ist daher die einzig langfristig tragfähige Strategie.
Wasserstoff ist zweifellos ein wichtiger Baustein der Energiewende, aber keine universelle Lösung für sämtliche Energieprobleme. Seine Herstellung ist energieintensiv und sollte deshalb auf Bereiche beschränkt werden, in denen direkte Elektrifizierung nicht möglich ist. Dazu gehören die Schwerindustrie (z. B. Stahl- und Zementproduktion), der Schwerlastverkehr, die Luft- und Schifffahrt sowie bestimmte chemische Prozesse (Fraunhofer ISI. Wasserstoffnutzung im Industrie-, Energie- und Mobilitätssektor. Online.) In diesen Anwendungsfeldern bietet Wasserstoff die Möglichkeit, fossile Brennstoffe zu ersetzen und die CO2-Emissionen drastisch zu reduzieren. Allerdings kann nur grüner Wasserstoff klimaneutral sein – für deren Herstellung es zusätzliche Erneuerbare Energien braucht. Die Nutzung sollte daher auf Bereiche fokussiert bleiben, die nicht direkt über die Nutzung von Ökostrom dekarbonisiert werden können. Für Anwendungen wie den PKW-Verkehr oder den Gebäudesektor ist die direkte Elektrifizierung damit effizienter und kostengünstiger. Elektroautos und Wärmepumpen benötigen deutlich weniger Energie als wasserstoffbasierte Alternativen, da bei der Umwandlung von Strom in Wasserstoff und zurück in Energie erhebliche Verluste auftreten.