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Nachhaltig. Stark. Weiblich. Machen statt Jammern

Seit den 1990er Jahren setzt sich Katja von der Bey für die wirtschaftliche Förderung von Frauen ein. Die Geschäftsführerin und Vorständin der Berliner Frauengenossenschaft WeiberWirtschaft denkt Feminismus und Nachhaltigkeit konsequent zusammen.

Nachhaltig. Stark. Weiblich. Mitgliedsunternehmen Interview
Katja von der Bay in einem roten Oberteil lacht in die Kamera vor einem dunklen Hintergrund. Auf der Rechten Seite des Bildes ist das Logo von WeiberWirtschaft eG vor einem weißen Hintergrund

Katja von der Bey von der WeiberWirtschaft

„Wo sind denn die Frauen in der Kunst?“ Diese Frage stellte sich Katja von der Bey spätestens als sie begann, Kunstgeschichte und Philosophie zu studieren. Ihre Großmutter, eine Malerin, hatte sie schon in jungen Jahren inspiriert, ihr Leben ebenfalls der Kunst zu widmen. Als sie an der Uni jedoch ausschließlich auf männliche Professoren und Doktoranden traf, keimte Widerstand in ihr und sie gründete mit zehn Mitstreiterinnen eine Arbeitsgruppe nur für Frauen. Seither ist Feminismus fester Bestandteil ihres Lebens.

Nicht jammern, sondern machen

Neben ihrer Tätigkeit als Galeristin und Kuratorin arbeitete Katja von der Bey später in einem Sachverständigenbüro für Immobilien. Eigentlich ein Brotjob, der jedoch neue Türen öffnete: „1990 erzählte mir eine Freundin von der WeiberWirtschaft. Die Frauengenossenschaft suchte jemanden wie mich, um ihrem Traum von einer eigenen Immobilie näherzukommen. Seither bin ich hier nicht mehr wegzukriegen“, berichtet sie. Was sie so begeisterte? Obwohl die Frauenarbeitslosigkeit damals sehr hoch und die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern noch immer haarsträubend war, wurde hier nicht gejammert, sondern gemacht. Diese Haltung prägt die WeiberWirtschaft bis heute. Ihre Mission: Frauen wirtschaftlich stark machen.

Ein ökologisch sanierter Gewerbehof für Frauen

Nach ihrer Promotion stand Katja von der Bey vor der Qual der Wahl. Weiter als Kuratorin arbeiten? Eine Karriere an der Uni einschlagen? Oder die Ideen der WeiberWirtschaft mit Vollgas als Geschäftsführerin vorantreiben? Sie entschied sich für Letzteres. „Kunst ist und bleibt ein wichtiger Teil meines Lebens. Aber bei der WeiberWirtschaft sah ich persönlich, gesellschaftlich und politisch mehr Entwicklungsmöglichkeiten. Diese Entscheidung habe ich nie bereut.“ 1992 kaufte die Frauengenossenschaft eine Immobilie in Berlin Mitte und begann mit der Sanierung. Feministische und ökologische Anliegen wurden hier von Anfang an zusammengedacht. „Ob recycelbare Baustoffe, Flächenentsiegelung und -begrünung, eigene Energieerzeugung oder Regenwassernutzung für die Toiletten: was wir in den 90er Jahren vor allem aus ideologischen Gründen umgesetzt haben, macht heute auch wirtschaftlich total Sinn. Wir sind stolz darauf, die erste ökologische Gewerbehofsanierung Berlins realisiert zu haben“, so Katja von der Bey. Dieser nachhaltige Anspruch hat sich über die Jahrzehnte in den Gemäuern an der Anklamer Straße manifestiert und zeigt sich etwa darin, wo und was eingekauft und wie miteinander umgegangen wird. „Als wir 2019 beschlossen, unseren Mitarbeiterinnen drei Tage Sonderurlaub zu geben, wenn sie nicht in den Urlaub fliegen, war das für uns nur ein weiterer Schritt auf unserem Weg zu mehr Nachhaltigkeit. In der Presse hat das hingegen für mächtig Furore gesorgt – damit hatten wir gar nicht gerechnet“, so Katja von der Bey.

Transformation braucht Vorbilder

Heute hat die WeiberWirtschaft 2200 Genossenschafterinnen. Rund 70 Gewerbemieterinnen unterschiedlicher Branchen finden im sanierten Gewerbehof Platz und Unterstützung, um selbstbestimmt ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. „Besonders in der Anfangszeit einer Selbstständigkeit bieten wir günstige Mietpreise. Kein Wunder also, dass unsere Warteliste sehr lang ist. Doch unsere Milchmädchentarife gehen auf. Wenn Unternehmerinnen uns verlassen, dann meistens, weil sie hier nicht mehr genug Platz haben“, erklärt Katja von der Bey. Neben der Infrastruktur gewährt die WeiberWirtschaft ihren Mitgliedern auch Mikrokredite; 2006 wurde die Gründerinnenzentrale ins Leben gerufen. Hier finden Berliner Gründerinnen und solche, die es werden wollen, Orientierungshilfe und Unterstützung. Katja von der Bey ist außerdem Teil des Leitungsteams der bundesweiten gründerinnenagentur (bga). Sie sagt: „Viele Frauen wollen gestalten und Verantwortung übernehmen – aber nicht in der Art und Weise, wie es patriarchale Unternehmertypen vormachen. Damit können sich die meisten überhaupt nicht identifizieren. Deshalb ist es uns sehr wichtig, weibliches Unternehmertum sichtbar zu machen. Denn Transformation braucht Vorbilder.“

Wir haben bewiesen, dass Empowerment wirtschaftlich funktioniert

Früher begegnete man den Frauen der WeiberWirtschaft oft mit großem Misstrauen, hielt sie für aggressiv und realitätsfern. Über die Jahrzehnte hat sich das Bild gewandelt: „Die Zeiten, in denen man uns mit bösen Briefen und Presseartikeln zusetzte, sind vorbei. In der Anonymität des Internets gibt es zwar weiterhin Anfeindungen, aber es ist weniger geworden. Wir beweisen allerdings auch jeden Tag, dass Empowerment wirtschaftlich funktioniert.“ Für ihr Engagement zur Frauenförderung erhielt Katja von der Bey 2013 den Berliner Frauenpreis, 2017 den Verdienstorden des Landes Berlin und im Februar 2025 das Bundesverdienstkreuz.

 

Zur Kolumne:
Ina Hiester ist freie Journalistin mit den Schwerpunktthemen Klima, Umwelt und Nachhaltigkeit. Während einer umfassenden Recherche rund um das Thema Geschlechtergerechtigkeit in der Biobranche stellte sie fest: viele Frauen sind zwar besonders empathisch und naturverbunden und engagieren sich für gesellschaftlichen Wandel. Doch auch im 21. Jahrhundert werden ihre Leistungen oft nicht genug anerkannt. In ihrer BNW-Porträt-Reihe „Nachhaltig. Stark. Weiblich.“ stellt die Journalistin deshalb Unternehmerinnen vor, die sich mit Herz und Verstand den ökologischen und sozialen Herausforderungen unserer Zeit stellen.