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Nachhaltig. Stark. Weiblich. "Was uns einen sollte, ist die Kompetenz!"

Ob Eis, Gemüse, Beeren, Fisch oder Pizza: Die Firma Ökofrost ist seit 1996 Bio-Tiefkühlpionier. Anke Frenzel arbeitet seit 18 Jahren in dem Berliner Unternehmen, das nicht nur innovative Bio-Produkte macht, sondern auch eine innovative Unternehmenskultur lebt.

Nachhaltig. Stark. Weiblich. Mitgliedsunternehmen Interview
Porträtfoto von Anke Frenzel und daneben das Logo von Ökofrost

Anke Frenzel von Ökofrost

Aufgewachsen in einer Kleinstadt in Bayern wollte Anke Frenzel nach der Schule vor allem eins: mehr von der Welt sehen. Noch vor ihrem Studium der Sozialwirtschaft ging sie als Au-Pair nach Neuseeland, absolvierte später ein Auslandsjahr in Italien. Seither ist ihr das Reisen nicht mehr auszutreiben – genauso wenig wie Ihre Leidenschaft für gutes Essen. Doch mit dem Flüggewerden kamen Zweifel auf, wo unsere Lebensmittel eigentlich herkommen. „Als ich noch bei meinen Eltern lebte, kauften wir viele Lebensmittel direkt bei den Bauern in unserer Region. Als ich auszog war ich in den Supermärkten oft mit anonymisierten und patentierten Produkten konfrontiert, die mich misstrauisch machten. Auf Bio zu setzen war für mich die einzige Möglichkeit, auch in der Großstadt oder im Ausland mit gutem Gewissen einzukaufen“, erinnert sich Anke Frenzel.

„Wer bei uns was bewegen will, hat die größtmögliche Freiheit“

Als sie 2006 ihr Diplom in Sozialwirtschaft, BWL, Marketing und Wirtschaftspsychologie in der Tasche hatte, bewarb sie sich bei der Berliner Firma Ökofrost. Sie erzählt: „Ökofrost belieferte damals bereits deutschlandweit Bio-Supermärkte mit Tiefkühlprodukten – allerdings als Großhändler mit fremden Marken. Mein Traum hingegen war schon immer, eigene Produkte zu kreieren. Bei Ökofrost wurde das möglich. Inzwischen haben wir drei eigene Marken: BioCool, BioPolar und Wildzeit.“ Seit Januar 2023 führt Anke Frenzel das Familienunternehmen gemeinsam mit Gründer Florian Gerull. Sie schätzt besonders den Freiraum, den die Firma bietet. „Ökofrost ist mit 20 Mitarbeitenden noch immer ein kleines Unternehmen. Aber genau deshalb konnten wir uns auch zu einer Firma entwickeln, die in meinen Augen eine wirklich einzigartige Unternehmenskultur hat. Wer bei uns was bewegen will, hat die größtmögliche Freiheit. Und wenn ich ein neues Produkt entwickle, kann ich wirklich von Anfang bis Ende dabei sein“, sagt Anke Frenzel. Diese Art der Selbstwirksamkeit ist dadurch möglich, dass Ökofrost nicht in klassischen Hierarchiestufen organisiert ist.

„Ich habe schonmal überlegt, eine Männerquote einzuführen“

„Unsere Unternehmensorganisation orientiert sich an dem System der Holakratie. Statt starrer Hierarchien stimmen wir uns untereinander dynamisch in Kreisen ab. Und schaffen so ein Umfeld, in dem jeder und jede vieles selbst entscheidet und Verantwortung trägt. Außerdem haben wir ein transparentes Gehaltsmodell und sind Gemeinwohl-bilanziert“, sagt Anke Frenzel. Schon seit 2012 experimentiert Ökofrost mit dieser Art des New Work – mit der laut Frenzels Erfahrung Frauen oft besser zurecht kommen als Männer. „Nur im Vertrieb sind wir derzeit paritätisch besetzt; Insgesamt liegt der Frauenanteil bei 75 Prozent. Am liebsten hätte ich überall gemischte Teams. Ich habe sogar schonmal überlegt, eine Männerquote einzuführen. Denn nur wo unterschiedliche Eigenschaften aufeinandertreffen, entsteht Reibung. Und Reibung schafft Energie“, sagt sie.

„Es muss möglich sein, Führungsverantwortung in Teilzeit zu übernehmen“

Anke Frenzel hat im beruflichen Kontext schon das ein oder andere Mal erlebt, dass sie als Frau anders behandelt wurde. „Im mediterranen Raum passierte es mir schon mal, dass nach dem männlichen Geschäftsführer gefragt wurde. Auch das gesamte Fisch-Business ist extrem männlich geprägt – das kann einen schon einschüchtern. Hier entscheide ich mich bewusst, souverän und offen aufzutreten.“ Grundsätzlich denkt Anke Frenzel nicht gerne in Stereotypen. „Ob Männer oder Frauen – was uns einen sollte ist die Kompetenz!“, fordert sie. Ein zentraler Hebel für eine Kompetenz- statt Geschlechterdebatte ist für sie Führung in Teilzeit. „Es muss einfach möglich sein, Führungsverantwortung zu übernehmen und dennoch für die Familie da zu sein. Eine dynamische Unternehmenskultur wie bei Ökofrost fördert das, denn wir stehen für einander ein und unterstützen uns gegenseitig, statt einfach stur unsere jeweiligen Aufgaben abzuarbeiten. Bei uns gibt es keine Pflichtanwesenheitszeiten im Büro, aber einen Kinderzuschuss aufs Gehalt. So schaffen wir Raum für Care-Arbeit – für Frauen und für Männer.“

 

 

Zur Kolumne:
Ina Hiester ist freie Journalistin mit den Schwerpunktthemen Klima, Umwelt und Nachhaltigkeit. Während einer umfassenden Recherche rund um das Thema Geschlechtergerechtigkeit in der Biobranche stellte sie fest: viele Frauen sind zwar besonders empathisch und naturverbunden und engagieren sich für gesellschaftlichen Wandel. Doch auch im 21. Jahrhundert werden ihre Leistungen oft nicht genug anerkannt. In ihrer BNW-Porträt-Reihe „Nachhaltig. Stark. Weiblich.“ stellt die Journalistin deshalb Unternehmerinnen vor, die sich mit Herz und Verstand den ökologischen und sozialen Herausforderungen unserer Zeit stellen.

Zur gesamten Reihe "Nachhaltig. Stark. Weiblich"