„Nicht irgendwo und irgendwie anfangen, sondern den Lebenszyklus immer im Blick behalten“

BNW: Die Brüninghoff Group gibt es seit 1974 – und damit seit über 50 Jahren. Was ist der Schlüssel, um so lange in der Baubranche zu bestehen?
Dr. Jan Wenker: Ein zentraler Erfolgsfaktor ist zukunftsorientiertes Denken und die Offenheit für Neues. Innovation ist bei Brüninghoff nicht nur ein Schlagwort, sondern gelebte Praxis – so ist das Innovationsmanagement beispielsweise sowohl personell als auch strukturell im Unternehmen fest verankert. Gleichzeitig sind es natürlich die motivierten und qualifizierten Mitarbeitenden, die im Hier und Jetzt schlichtweg zuverlässig und jeden Tag einzigartige Leistungen erbringen. Diese Kombination aus Tradition und Fortschritt hat uns als mittelständische Unternehmensgruppe über die Jahrzehnte hinweg stark gemacht. Auch wird die kontinuierliche Weiterentwicklung durch eine enge Zusammenarbeit mit Universitäten und Forschungseinrichtungen unterstützt, was zu einer ständigen Integration neuer Technologien und Methoden führt.
Gestartet ist Brüninghoff als Bauschreinerei. Mittlerweile bietet die Group neben Holz- auch Beton-, Stahl- und Alubauteile an. Woher kam die Entscheidung, statt einem, viele Materialien zu produzieren?
Die Entscheidung, das Portfolio auf verschiedene Materialien und Produktionsbereiche auszuweiten, war schon sehr frühzeitig strategisch motiviert. Die daraus resultierende Unabhängigkeit von Vorlieferanten erhöht auch die unternehmenseigene Wertschöpfung sowie Kompetenz. Durch die Generalunternehmer-Umsetzung mit maximaler Wertschöpfungstiefe können wir Projekte besonders effizient und nachhaltig entlang der kompletten Wertschöpfungskette Planen-Produzieren-Bauen-Betreiben realisieren.
Brüninghoff produziert nicht nur, sondern plant und baut auch. Damit wird ein ganzheitlicher Blick auf die sonst stark fragmentierte Baubranche möglich. Ist der nötig, um Veränderungen anzuschieben?
Ein ganzheitlicher Ansatz ist vielleicht nicht zwingend notwendig, aber definitiv hilfreich. Viele Schnittstellen im Bauprozess, die sonst schwer zu adressieren sind, hat Brüninghoff in einer Hand. Dies ermöglicht es uns, Potentiale schneller zu erkennen und Veränderungen effektiver zu initiieren und umzusetzen, was letztendlich zur Förderung der Nachhaltigkeit beiträgt. Das sind darüber hinaus optimale Voraussetzungen, um den Lebenszyklus ganzheitlich betrachten zu können.
Brüninghoff setzt auf Systembauweise. Durch die Vorfertigung im Werk kann unter gleichbleibend hohen Standards produziert und auf der Baustelle zügig montiert werden. Ist das ein Alleinstellungsmerkmal oder die Zukunft der Branche?
Die Systembauweise mit hohem Vorfertigungsgrad ist zwar kein Alleinstellungsmerkmal, aber noch lange nicht Standard in der Branche. Wir setzen nur das um, was vorgefertigt werden kann. Wo dies noch nicht gegeben ist, vollzieht Brüninghoff ein Re-Engineering. Diese Vorgehensweise ist aus unserer Sicht ein wichtiger Schritt in Richtung Zukunft der Bauindustrie.
Der Bau und die Nutzung von Gebäuden machen circa 30 Prozent der deutschen Treibhausgasemissionen aus. Wo muss die Baubranche anfangen, diese Emissionen wirksam und wirtschaftlich zu reduzieren?
Es beginnt hier nur auf den ersten Blick mit dem intelligenten und ressourceneffizienten Einsatz von Rohstoffen und Baumaterialien. Damit Potentiale insgesamt ausgeschöpft werden können, müssen jedoch Energieeffizienz im Betrieb sowie Konzepte für Nachnutzung, Demontage und Recycling grundsätzlich von Anfang an mitgedacht werden. Eine Lebenszyklusbetrachtung ist also unerlässlich – es geht nicht darum, irgendwo anzufangen, sondern diese Aspekte immer im Blick zu haben, um die Nachhaltigkeit insgesamt zu fördern.
Die Brüninghoff Group setzt auf CO2-arme Verfahren, Hybridwerkstoffe und Kreislaufwirtschaft. Das sind aktuell keine Standards in der Branche. Denn sie verursachen Mehraufwand und Mehrkosten. Wieso ist Brüninghoff überzeugt, dass es sich am Ende doch rechnet?
Wer sich auf Standards verlässt, wird schnell überholt. Wir investieren fortwährend in die Zukunft – mit unseren Bauweisen, Konstruktionen, Materialien und Produktionsstätten. Auch wenn kreislauffähige und CO2-reduzierte Bauweisen derzeit noch nicht Standard sind, müssen sie es werden. Denn die Bauwende ist alternativlos. Momentan sind CO2-Emissionen und Primärmaterial noch „zu billig“, aber das wird sich durch Verknappung ändern. Dann werden unsere Konzepte, die bereits heute wirtschaftlich sind, hochprofitabel sein. Das ist unsere Überzeugung.
Kreislaufwirtschaft setzt darauf, Materialien nicht nur umweltschonend herzustellen, sondern sie auch möglichst lange wieder- und neu zu verwenden. Ein Aspekt, der in der Baubranche und im Baurecht bisher zu kurz kommt. Wie kann Brüninghoff seine Produkte trotzdem bereits heute im Kreislauf halten?
Bei Brüninghoff denken wir über den Tellerrand hinaus und entwickeln nicht nur innovative Produkte, sondern auch neue Bau- und Rückbauverfahren. Auf Materialebene setzen wir gezielt Rezyklate ein und etablieren Wertschöpfungsketten mit Partnern, um den Einsatz von Recycling-Beton (R-Beton) zu fördern. So schaffen wir es, unsere Produkte bereits heute im Kreislauf zu halten und gleichzeitig die Nachhaltigkeit in der Bauwirtschaft voranzutreiben.
Mit im Programm der Gruppe sind Verbunddecken die aus Holz und Beton entstehen. Welche Vorteile bietet dieser ungewöhnliche Materialmix?
Das ist nur auf den ersten Blick ungewöhnlich, auf den zweiten Blick eine logische Konsequenz der Stärken und Schwächen, die jedes Material hat. Der Materialmix aus Holz und Beton kombiniert daher die besten Eigenschaften beider Materialien: Holz ist für sein geringes Gewicht sehr zugfest, während Beton eine hohe Druckfestigkeit aufweist. Diese Kombination ermöglicht es, die Materialien dort einzusetzen, wo sie ihre Stärken am besten ausspielen können. Was vor 15 Jahren noch ungewöhnlich war, ist heute in der Baubranche etabliert und ein Beweis für unseren langen Atem sowie unsere Innovationskraft, welche die Kreislaufwirtschaft voranbringt.