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Top-Down Ansatz widerspricht gesunder Entwicklung

Interview Mitgliedsunternehmen
[vc_row][vc_column][vc_column_text]Gemeinsam mit seinem Team und inspiriert vom Modell der Holakratie, entwickelt Florian Gerull, Geschäftsführer von Ökofrost und der SinnBIOse Netzwerk GmbH, die Unternehmenskultur stetig weiter. Holakratie? Was verbirgt sich dahinter? Holakratie kommt von Holarchie, also ineinander genestete Kreise. Wie in der Natur ist eine Zelle ein Teil von einem Körper und jede einzelne Zelle hat wiederum noch kleinere Teile, Atome und Moleküle. Eine Holarchie ist also die Verschachtelung verschiedener Ebenen. In Bezug auf Unternehmensorganisation gibt es ein paar wichtige Grundpfeiler, die Holakratie von Hierarchie unterscheiden. Holakratische Organisationen bestehen aus Rollen und Kreisen, wobei jede Rolle und jeder Kreis eine klare Zuständigkeit hat. Innerhalb dieser Zuständigkeit ist der Kreis oder die Rolle völlig eigenständig in der Organisation, Ausgestaltung, Zielerreichung und Zielsetzung. Es gibt niemanden, der einer Rolle sagen darf, was und wann sie etwas tut. Das entscheidende ist die Ausrichtung am „Purpose“ – also dem Sinn und Zweck des Unternehmens. Das Unternehmen, der größte Kreis, hat einen Purpose, aber auch jeder einzelne Unterkreis und jede einzelne Rolle hat einen Purpose. Jeder Purpose von jedem kleineren Kreis muss zum Purpose des größeren Kreises beitragen – wie eine Zelle, die im Sinne des gesamten Körpers agieren muss. Was ist der Purpose von Ökofrost? Der Purpose von Ökofrost ist „Gesunde Entwicklung durch echte Lebensmittel“. Das beinhaltet sowohl die Ausrichtung auf Lebensmittel, also Bio-Tiefkühlkost, als auch auf gesunde Entwicklung, die über das reine Lebensmittel hinaus geht. Es ist Bestandteil unseres Purpose zur gesunden Entwicklung der Welt beizutragen. Seit wann arbeitet Ökofrost schon mit dem Modell der Holakratie? Kennengelernt habe ich Holakratie vor ungefähr sieben Jahren. Zu dem Zeitpunkt hatten wir jedoch viele Neuerungen im Unternehmen, z.B. ein neues Leitbild, den ersten Gemeinwohlökonomie-Bericht und eine neue Gehaltsstruktur. Unsere Mitarbeiter_innen wollten damals nicht noch etwas Neues. Deshalb haben wir erstmal einzelne Elemente übernommen, ohne es Holakratie zu nennen. Wir haben in der Darstellung der Unternehmensorganisation Kreise eingeführt, aber schon mit dem Zusatz von eigenständigen Funktionen und Selbstorganisation der Rollen. Nach eineinhalb Jahren habe ich das Thema nochmals eingebracht. Alle Bereichsleiter, wie sie damals hießen, fanden es spannend und wir sind geschlossen zu einem Workshop gegangen. Die Zeit war reif. Die damaligen Bereichsleiter sind sogenannte Leadlinks geworden. Die Leadlinks haben Holakratie nach und nach in ihre Kreise getragen. Bis wirklich alle Kreise und Rollen ausgearbeitet waren, hat sich der Prozess auf über eineinhalb Jahre gezogen. Warum wurde Holakratie bei Ökofrost eingeführt? Nachdem wir uns mit unseren Werten und unserem Leitbild beschäftigt hatten, hatte ich das Gefühl, dass eine normale Unternehmensstruktur nicht zu unseren Werten passt. Für mich war eine wesentliche Erkenntnis, dass eine gesunde Entwicklung wichtig ist. Der klassische Top-Down Ansatz widerspricht dem Wert der gesunden Entwicklung. Es gab immer wieder Situationen, in denen ich gemerkt habe, wie die Mitarbeiter_innen unter dieser Führung gelitten haben. Dadurch geht unglaublich viel Energie verloren. Der erste Impuls ist da vielleicht die Hierarchie abzuschaffen und alles gemeinsam zu entscheiden. Das funktioniert aber nicht und gibt nur Chaos. Man braucht schon eine gewisse Struktur, die die Holakratie bietet. Was bedeutet diese Umstellung auf Rollen und Kreise ganz konkret im Alltag der Mitarbeiter_innen? In einem klassischen Unternehmen haben alle Beschäftigte einen Vorgesetzten bis hoch zum Chef. Dir kann also immer jemand sagen, wie du deine Arbeit machen sollst oder nicht machen sollst. Auch wenn es unterschiedlich gehandhabt wird, gibt es in einer gewissen Weise immer eine Rechenschaftspflicht. In der Holakratie wäre dies nicht denkbar. Es gibt immer einen größeren Kreis und jeder Kreis hat einen Leadlink. Die Funktion des Leadlinks ist aber nicht zu sagen, was du zu tun hast, sondern beispielsweise Ressourcen freizugeben. Die inhaltliche Ausgestaltung ist allein der Rolle überlassen. Die Idee ist: Hast du alles, was du in deiner Rolle brauchst, um gut deinen Purpose verfolgen zu können? Der Leadlink ist also mehr eine Unterstützung. Gibt es in der Holakratie besondere Meetings? Ja, es gibt beispielsweise Strukturmeetings. Für das Funktionieren der Holakratie ist eine klare Struktur wichtig. Was kann ich von der Rolle erwarten? Welche Rechte hat die Rolle? In welchem Umfeld kann sie Entscheidungen treffen? Es ist sehr üblich, dass Mitarbeiter_innen mehrere Rollen haben – teilweise sogar in verschiedenen Bereichen. Die Informationen zu den Rollen müssen jederzeit für alle Mitarbeiter_innen zur Verfügung stehen. Die Struktur wird nicht von oben vorgegeben und konstruiert, sondern alle Beschäftigten können jederzeit über Strukturmeetings diese Struktur verändern. Und das passiert auch sehr dynamisch. Alle haben einen Einfluss auf das Unternehmen. Dadurch sind klassische festgelegte Stellenausschreibungen in der Holakratie sehr flexibel und nicht personengebunden. In operativen Meetings geht es um Themen des Alltags. In der Regel finden diese Meetings innerhalb der Kreise statt, die über das zu besprechende Thema auch entscheiden können. Sollte ein Thema größer sein als der Zuständigkeitsbereich des Kreises, wird das Thema in den nächstgrößeren Kreis eingebracht. Gibt es in irgendeiner Art und Weise eine Hierarchie in den Kreisen? Es gibt eine natürliche Verschachtelung basierend auf der Perspektive. Jeder Kreis und jede Rolle hat einen unterschiedlichen Fokus. Je nach Thema wird der spezialisierte Kreis oder der nächstgrößere Kreis berufen. Das ist keine Hierarchiefrage, sondern eine Perspektivfrage. Je spezialisierter der Kreis oder die Rolle, desto kleiner ist der Entscheidungsbereich und trotzdem ist jede Rolle eigenständig in den Entscheidungen im Verantwortungsbereich. Wie wirken sich die Strukturen auf die Mitarbeiter_innen aus? Das Schwierigste in der Umsetzung ist, dass für diese Organisationsform Kompetenzen nötig sind - eine Kultur, die wir nicht so gelernt haben. Durch Schule und auch andere Unternehmen haben wir andere Haltungen und Herangehensweisen gelernt, die im Unterbewusstsein verankert sind. Beispielsweise beschweren wir uns lieber, als konstruktiv an Störfaktoren zu arbeiten. Es hat Jahre gedauert bis alle Mitarbeiter_innen wirklich Spannungen wahrnehmen, äußern und konstruktiv so umsetzen, dass es eine Veränderung bewirkt. Meistens gibt es einen Aha-Effekt und dann fängt es an Spaß zu machen. Wenn alle Mitarbeiter_innen feste Rollen haben und eigenverantwortlich entscheiden können - welche Rolle hat noch der Chef? Der Geschäftsführer ist ebenfalls eine Rolle und wird allein aus rechtlichen Gründen gebraucht. Daneben habe ich noch weitere Rollen im Vertrieb, in der Unternehmensentwicklung und als Scout, in der ich nach neuen interessanten Themen für uns schaue. Sind in dem Prozess der Einführung auch Mitarbeiter_innen gegangen, weil es nicht das Richtige für sie ist? Genau kann ich es nicht sagen, da Mitarbeiter_innen nicht unbedingt sagen, warum sie ein Unternehmen verlassen. Es gab niemanden der gesagt hat, dass er/sie wegen der Umstellung gegangen ist. Aber es gab die eine oder andere Kündigung, bei der ich die Vermutung hatte. Es kann eine Herausforderung sein. Selbst innerhalb der Holakratie gibt es unterschiedliche Ansätze, die Rollen zu gestalten. Wenn die Mitarbeitenden frei denken, agieren und handeln, reicht schon der Purpose und der Name der Rolle. Es gibt aber Menschen, die eine klare Rollenbeschreibung und Orientierung brauchen. Ebenso wie es Menschen gibt, die keine Entscheidungen treffen wollen und automatisch Rollen bekommen, die nicht so entscheidungsschwer sind. Nach 7 Jahren Erfahrung mit Holakratie – wo kommt dieses System an seine Grenzen? Ursprünglich ist dieses Modell von einer IT-Firma entwickelt worden. An einigen Stellen merkt man den starken Fokus auf technische Prozesse. Menschliche und zwischenmenschliche Aspekte sind nicht mitgedacht. Wir haben Rollen geschaffen, die sich z.B. um Unternehmenskultur oder Konflikte kümmern. In manchen Strukturen oder Prozessen ist Holakratie sehr schematisch. Das haben wir teilweise für uns angepasst und komplizierte Prozesse abgekürzt. Es gibt immer mal wieder Auseinandersetzungen mit dem System. So gibt es Empfehlungen zur Häufigkeit der Meetings. Wir haben gemerkt, dass dies auch von den Kreisen, Themen und Mitarbeiter_innen abhängig ist. Am Anfang sollte das System richtig verstanden und kennengelernt werden. In jedem Fall fühlt es sich erstmal sperrig und ungewohnt an. Wenn zu früh Elemente ausgelassen werden, merkt man nicht, was Gutes drinsteckt. Insgesamt ist das System schon sehr durchdacht, vor allem, wenn man in die Details geht. Es funktioniert für uns ziemlich gut.[/vc_column_text][/vc_column][/vc_row][vc_row][vc_column width="1/4"][vc_column_text][/vc_column_text][/vc_column][vc_column width="3/4"][vc_column_text]Herzlichen Dank für das Interview, lieber Florian Gerull! Das Interview führte Anne Freese, aus der UnternehmensGrün-Geschäftsstelle. Über Ökofrost Ökofrost entwickelt und vertreibt seit 1996 nachhaltige Tiefkühlprodukte. Das Sortiment besteht zu 100 Prozent aus zertifizierten Bio-Lebensmitteln und Fisch aus nachhaltigem Fang. Ökofrost hat zwei Bio-Tiefkühl-Marken, Biopolar und BioCool, und  beliefert ganz Deutschland und auch vereinzelt Kunden im europäischen Ausland. Darüber hinaus will das Unternehmen mit aktuell 23 Mitarbeiter_innen aktiv zur Entwicklung und Verbreitung neuer Wirtschaftsformen beitragen und gründete 2016 die SinnBIOse mit dem Ziel, nachhaltig wirtschaftende Firmen sinnvoll und synergetisch zu vernetzen und deren gesunde Entwicklung zu fördern.[/vc_column_text][/vc_column][/vc_row]