Veranstaltungsrückblick: Direktversorgung als Hebel für KMU in der Energiewende
Nach der Begrüßung ordneten Sven Kirrmann (naturstrom) und Carolin Dähling (Green Planet Energy) den politischen und praktischen Rahmen: Direktversorgung umfasst Direktleitungen („on site“) ebenso wie Off-Site-PPAs über das Netz; je nach Modell sind Einsparungen bei Netzentgelten und ggf. der Stromsteuer möglich, zugleich steigt die Kopplung von Erzeugung und Verbrauch – ein starker Anreiz für Flexibilität und effiziente Netznutzung.
Der derzeitige Ansatz sieht keine Wechselmöglichkeit zwischen staatlicher Absicherung (CfD) und freier Vermarktung via PPA vor, kurzfristige (1–9-jährige) PPAs würden damit stark eingeschränkt. Das würde Akteursvielfalt und PPA-basierte Investitionen von KMU erschweren und Anreize für Flex-Investitionen schwächen. Zudem wurde die jüngste Rechtsprechung von EuGH/BGH zur „Kundenanlage“ beleuchtet, die den Begriff grundsätzlich in Frage stellt; die EnWG-Novelle bringt zwar Bestandsschutz bis 1. Januar 2029, lässt aber Neuanlagen weiterhin mit Unsicherheiten zurück. Chancen eröffnen perspektivisch „Energy Sharing“-Regelungen, die gemeinsame Nutzung erneuerbarer Erzeugung im Netzgebiet ermöglichen, allerdings mit offenen Detailfragen.
Deutlich wurde auch: Wirtschaftlichkeit hängt am Lastprofil und der Nähe von Erzeugung und Verbrauch. Direktversorgungsmodelle können planbare, günstige Preise sichern – etwa über PPAs – und die Nachhaltigkeitsberichterstattung durch präzise Herkunftsnachweise.
Im Praxisblock zeigte naturstrom, wie Direktversorgung in der Praxis umgesetzt werden kann – vom kleinen und mittleren Unternehmen bis zur Industrie. Anhand konkreter Projekte wurde deutlich, welche Modelle heute schon funktionieren: So deckt bei SAM Coating eine Ost/West-ausgerichtete PV-Freiflächenanlage mit Speicher rund 70 % des Strombedarfs ab; die Direktleitung spart Netzentgelte, und durch Anlagenpacht entfällt zusätzlich die Stromsteuer. In der Metropolregion Hamburg wird eine PV-Freiflächenanlage (ca. 4 MWp) über eine etwa 500 m lange Direktleitung mit einem Industriebetrieb verbunden – Grundlage ist ein PPA mit zehnjähriger Laufzeit. Als Beispiel für ein sogenanntes „PPA+“-Modell zeigte naturstrom zudem, wie Hörmann durch Ü20-Wind-PPAs mit zweijähriger Laufzeit Kosten gegenüber Terminmarktpreisen senken kann, während gleichzeitig Eigenversorgungsanlagen standortübergreifend integriert werden. Ergänzend wurde gezeigt, dass auch Beteiligungsmodelle, etwa wie Ecosia sie nutzt, den Ausbau erneuerbarer Erzeugung unterstützen und zugleich eine hohe Stromdeckung aus eigenen Anlagen ermöglichen.
Werner & Mertz machte greifbar, wie Direktversorgung via PPA im KMU-Alltag wirkt: Zwei Windkraftanlagen liefern Strom, ein Direktvermarkter bilanziert Viertelstunde für Viertelstunde Angebot und Bedarf (35.040 Abgleiche pro Jahr). Das schafft Transparenz über die tatsächliche Versorgung aus konkreten Anlagen, senkt nachweislich CO₂-Emissionen gegenüber „Herkunftsnachweis-Ökostrom“ und bietet zugleich ökonomische Vorteile für Erzeuger und Abnehmer. Herausforderungen bleiben die Partnersuche, juristische Standardisierung und die Einbindung weiterer Akteure. Doch der Ansatz zeigt, wie ökologische Transformation und Wirtschaftlichkeit Hand in Hand gehen.
Die Beispiele machten klar: Direktversorgung verschafft KMU planbare, langfristig gesicherte Stromkosten, verbessert Nachhaltigkeitsleistung und stärkt Resilienz – auch ohne eigene Flächen, etwa über Off-Site-PPAs oder Beteiligungen. Damit Unternehmen Investitionen zügig skalieren können, braucht es aber verlässliche Regeln: eine praxistaugliche CfD-/PPA-Wechseloption, Rechtssicherheit bei Kundenanlagen und klare Mess-/Steuerkonzepte. Unser Format dient als Startpunkt, Erfahrungen aus der Mitgliedschaft zu bündeln und politisch einzubringen. Herzlichen Dank an alle Beitragenden, insbesondere an die Inputs von naturstrom und Green Planet Energy sowie den Praxisblick von Werner & Mertz.