Digitale Barrierefreiheit: Mehr Reichweite durch inklusive Webauftritte

Gemeinsames Webinar von BNW, visuellverstehen und dotfly.
Zugänglichkeit im digitalen Raum ist nicht nur ein ethisches Anliegen, sondern hat auch handfeste wirtschaftliche Vorteile – und ab Juli 2025 wird sie mit dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) für viele Unternehmen zur Pflicht. Um Wissens- und Handlungslücken zu diesem Thema zu schließen, veranstalteten der BNW, die gemeinwohlbilanzierte Branding- und Digitalagentur visuellverstehen und die nachhaltige Digitalagentur dotfly. ein gemeinsames Webinar zur digitalen Barrierefreiheit.
Barrierefreiheit: Unverzichtbar für einige, nützlich für alle
Die erschreckende Realität: 98% der meistbesuchten Websites weltweit sind nicht barrierefrei, wie Untersuchungen der Organisation WebAIM zeigen. Dabei ist digitale Barrierearmut für 10% der Bevölkerung unverzichtbar, für 30% sinnvoll und für 100% nützlich.
Mit 7,8 Millionen Menschen, die in Deutschland eine anerkannte Schwerbehinderung haben, geht es um eine erhebliche Zielgruppe. Bemerkenswert: Bei 9 von 10 Schwerbehinderten wurde die Behinderung durch eine allgemeine Krankheit verursacht – nicht angeboren. Mit steigendem Alter wächst zudem die Wahrscheinlichkeit, betroffen zu sein: Bei den über 65-Jährigen ist bereits rund ein Viertel schwerbehindert.
Dr. Katharina Reuter, Geschäftsführerin des BNW, betont: "Barrierefreiheit ist ein zentraler Aspekt nachhaltigen Wirtschaftens – sie berücksichtigt soziale Gerechtigkeit, schafft ökonomische Vorteile und bietet sogar ökologische Potenziale.
Frauke Hellwig, Geschäftsführerin von visuellverstehen, argumentiert: “Es geht für Unternehmen nicht nur darum, eine neue Zielgruppe zu erschließen, sondern auch bestehende Kund:innen nicht zu verlieren und digitale Anwendungen zukunftsfähig zu gestalten.”
Drei Säulen der digitalen Barrierefreiheit
Im Webinar erläuterten die Expert:innen, dass Barrieren in drei Hauptkategorien fallen:
- Visuelle Barrieren: Betreffen die Wahrnehmbarkeit von Inhalten, wie zu geringe Farbkontraste oder unklare visuelle Gestaltungselemente.
- Technische Barrieren: Probleme in der Struktur der Seite, wie fehlende ARIA-Attribute oder Interaktionen, die nicht vollständig für Tastatur-Nutzer:innen optimiert sind.
- Inhaltliche Barrieren: Fehlende oder ungenaue Alternativtexte für Bilder sowie unklare Link- oder Formularbeschriftungen.
Frauke Hellwig ordnet dies ein: "Die häufigsten Fehler sind schnell benannt: schwacher Textkontrast (86%), fehlender Alt-Text bei Bildern (66%) und leere oder fehlerhafte Links (60%)."
Warum Barrierefreiheit auch wirtschaftlich sinnvoll ist
Claus Biedermann, Geschäftsführer von dotfly., präsentierte überzeugende Argumente für barrierefreie Websites:
- Breitere Zielgruppe und damit mehr potenzielle Kund:innen
- Niedrigere Absprungrate und erhöhte Verweildauer auf der Website
- Besseres Google-Ranking, da viele Aspekte der Barrierefreiheit auch für SEO relevant sind
"Eine Bank für alle bedeutet eine Website für alle," verdeutlichte Claus Biedermann am Beispiel der GLS Bank, deren optimierte Website 99 von 100 möglichen Punkten im Bereich Barrierefreiheit erreicht.
Nachhaltigkeitsaspekt: Barrierefreiheit spart CO₂
Ein wichtiger Aspekt, der besonders hervorhoben wurde, war der Zusammenhang zwischen Barrierefreiheit und ökologischer Nachhaltigkeit. "Wäre das Internet ein Land, wäre es der viertgrößte Umweltverschmutzer weltweit.", so Claus Biedermann von dotfly. Eine durchschnittliche Website verursacht 0,5 g CO₂ pro Abruf – bei 10.000 monatlichen Seitenaufrufen summiert sich das auf etwa 60 kg CO₂ pro Jahr.
Die Verbindung zwischen Green Coding und Barrierefreiheit wurde während des Webinars deutlich herausgestellt. Die zahlreichen Gemeinsamkeiten beider Konzepte wurden eingehend erläutert: Performante Programmierung, reduzierte Animationen sowie optimierte Bild- und Videodateien verbessern nicht nur die Energieeffizienz, sondern erhöhen gleichzeitig die Zugänglichkeit für Menschen mit Einschränkungen oder schlechter Internetverbindung.
Im Rahmen des Webinars wurde außerdem das Eco-Grader-Tool vorgestellt, mit dem sich der CO₂-Fußabdruck von Websites messen lässt. Die Analysen zeigen einen klaren Zusammenhang: Websites, die nach Barrierefreiheitsstandards optimiert wurden, weisen typischerweise auch eine bessere Umweltbilanz auf – ein weiteres überzeugendes Argument für die Implementierung barrierefreier Webstandards.
Gruppendiskussion und Zeit für Fragen
Die 28 Teilnehmenden des Webinars führten nach dem Impulsvortrag eine angeregte Diskussion und stellten viele Fragen. Neben den Kosten und dem Vorgehen zur Umsetzung einer barrierefreien digitalen Anwendung wurden auch User-Tests in Europa thematisiert und Fachbeiträge geteilt. Abschließend herrschte eine motivierte Stimmung, die Barrieren im digitalen Raum abzubauen und sich als nachhaltiges Unternehmen dafür einzusetzen.
Digitale Nachhaltigkeit umfassend denken
Das Webinar zeigte eindrücklich: Barrierefreiheit ist ein wichtiger Baustein digitaler Nachhaltigkeit, der soziale, ökonomische und ökologische Aspekte verbindet. Der BNW wird dieses Thema auch in seiner eigenen digitalen Kommunikation stärker berücksichtigen und lädt seine Mitglieder:innen ein, noch vor Inkrafttreten des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes im Juli aktiv zu werden.
Wie der Einstieg gelingen kann:
- Mit einem Website-Audit den Status quo ermitteln
- Bei anstehenden Überarbeitungen Inklusion von Beginn an mitdenken
- Expert:innen hinzuziehen, um sowohl technische als auch inhaltliche Aspekte zu optimieren
Hier die Präsentation zum Webinar herunterladen (40 Seiten)
Sowohl visuellverstehen als auch dotfly. bieten Unterstützung auf dem Weg zu einer inklusiven und nachhaltigen digitalen Präsenz – von der ersten Analyse bis zur umfassenden Optimierung. Nutzen Sie die verbleibenden Monate bis zum Inkrafttreten des Gesetzes sinnvoll und gestalten Sie das Internet ein Stück barrierefreier.