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Nachhaltige Digitalisierung

Blätter wachsen scheinbar aus einem Notebook heraus

Digitalisierung & Nachhaltigkeit

Digitalisierung und Nachhaltigkeit – zwei Begriffe, die heutzutage in aller Munde sind und sich scheinbar ausschließen. Jedoch könnten sie viel öfter zusammen gedacht werden! Einerseits gibt es Mittel und Wege zu einer nachhaltigen Digitalisierung und andererseits kann eine Nachhaltigkeitsstrategie auch über effektive Digitalisierung realisiert werden.

Diese Themenseite soll Probleme, Chancen und Risiken digitaler Strategien vorstellen und zeigen, wie KMU, aber auch große Unternehmen, Digitalisierung angehen können. Dabei sollte im Handeln sowie bei Leistungs-, Unterstützungs- und Managementprozessen Digitalisierung und Nachhaltigkeit zusammen gedacht und schließlich umgesetzt werden. Mit digitalen Innovationen lassen sich das Engagement für Umwelt und Gesellschaft verbinden und gleichzeitig ein nachhaltiger Mehrwert schaffen. Wir wollen auch thematisieren wie die Digitalisierung von politischer Seite aus betrachtet werden sollte und welche Ansätze es gibt digitale Werkzeuge für den Kampf gegen den Klimawandel nutzen zu können.

Ist die Digitalisierung überhaupt gut für den Klimaschutz?

Bevor wir aber in die konkrete Umsetzung nachhaltiger Digitalisierung einsteigen, wollen wir zunächst einige Fragen zur Verbindung von Digitalem und Klimawandel beantworten: Schließt sich technischer Fortschritt und der Einsatz für Klimaschutz aus? Oder sind Digitalisierungsstrategien gleichzeitig Klimaschutzstrategien? Eine erste Antwort darauf lautet schlicht: Klimaschutz und Digitalisierung können und müssen zusammen gedacht werden. Ob in der Energiewirtschaft oder im produzierenden Gewerbe. Richtig implementiert kann die Digitalisierung von Prozessen dazu beitragen, Emissionen zu sparen und gleichzeitig der Wirtschaftlichkeit eines Unternehmens nutzen.

Dabei ist wichtig zu beachten, dass es bei der Digitalisierung oftmals zu sogenannten Rebound-Effekten kommen kann. Dabei handelt es sich um Effekte, die das intendierte Resultat umkehren und schließlich gegen die Zielsetzung wirken. Bei der Digitalisierung sind dies vor allem Einsparpotentiale, die zwar theoretisch zur Verringerung von Ressourceneinsatz, insbesondere zur Einsparung von Energie beitragen, aber eben auch den Verbrauch steigern können. Dies kommt vor allem dann zum Tragen, wenn digitale Angebote den Konsum erhöhen. Diesen Effekt kann man beispielsweise bei Streaming-Angeboten beobachten. Digitale Angebote von Medien tragen dazu bei, dass weniger Zeitungen gedruckt und CDs oder DVDs gepresst werden. Gleichzeitig aber werden in Zeiten von Netflix und Spotify signifikant mehr Filme und Musik konsumiert und dabei Strom verbraucht, dass sich die Einsparpotentiale nicht erfüllen und sogar mehr Ressourcen verbraucht werden.

Ähnlich verhält es sich bei digitalen Möglichkeiten Energie zu sparen. Zwar können SmartHome Anwendungen dazu beitragen Strom und Heizungen effizienter zu nutzen, werden jedoch zahlreiche SmartHome- und IOT-Geräte verwendet und mit dem Internet verbunden, werden auch hier Einsparpotentiale verpasst und schlussendlich mehr Strom verwendet als in herkömmlichen Haushalten ohne SmartHome-Integration.

Positive Effekte der Digitalisierung ließen sich aber beispielsweise während der Corona-Lockdowns im Jahr 2020 und 2021 beobachten. Durch den Umstieg von Büroarbeit auf digitale Arbeit wurde weltweit CO2 eingespart. Dies hängt vor allem damit zusammen, dass Pendelstrecken weggefallen sind, Großraumbüros nicht genutzt und Veranstaltungen digital abgehalten wurden. Hier greifen Einsparpotentiale, da der Ressourcenverbrauch des Pendelverkehrs größer war als der der digitalen Büros.

Digitalisierung sollte in dieser Weise zur Suffizienz beitragen und den Konsum von Ressourcen verringern und nicht erleichtern. Hier benötigt es auch intrinsisch motivierte Verbraucher:innen, die bereit sind ihren Konsum zu reduzieren. Digitale Angebote bieten die Chance sein eigenes Konsumverhalten zu reflektieren und die Möglichkeit den eigenen Konsum nachhaltiger zu gestalten. So zum Beispiel mithilfe von Online-Shops, die komplett auf nachhaltige Produkte setzen, oder Anwendungen, die durch Scannen des Barcodes eines Produktes dessen Umweltauswirkungen, ökologischen Fußabdruck oder Treibhausgasemissionen anzeigen können. Besonders hervorzuheben sind hier die BNW-Mitglieder Avocadostore und TooGoodToGo, aber auch Fairmondo und Glore sowie die App Codecheck. Solche digitalen Verkaufsplattformen und Anwendungen erleichtern Menschen, auch außerhalb von Großstädten, den Zugang zu nachhaltigen Produkten, seien es Lebensmittel oder Bekleidung.

Vor allem aber ist die Politik gefragt durch eine nachhaltige Digitalisierungsstrategie zum ressourcenschonenden Einsatz der Digitalisierung beizutragen. So können politische Maßnahmen ergriffen werden, die Lebensdauer von Geräten zu verlängern, oder Softwarehersteller dazu zu verpflichten, ressourcenschonendere Programme zu programmieren. Gleichzeitig muss die Digitalisierungsstrategie auch in die Klimapolitik integriert werden, statt diese beiden Themenfelder voneinander getrennt zu betrachten. Ob die im August veröffentlichte Digitalstrategie der Bundesregierung diesen Spagat leistet, besprechen wir weiter unten. Zuerst aber schauen wir uns an wie eine effektive und nachhaltige Digitalisierung in Unternehmen gelingen kann.

Wenn Sie Interesse daran haben, tiefer in die Thematik der nachhaltigen Digitalisierung einzusteigen, empfehlen wir folgende Quellen:

Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft. 2021. Nachhaltigkeit in der digitalen Gesellschaft. RESET. Eine Nachhaltigkeitsplattform, die sich dafür einsetzt Digitalisierung und Klimaschutz gemeinsam zu denken und umzusetzen.
Rohde, Friederike, et al. 2020.  Hoffnung für den Klimaschutz oder Ökoproblem? Gastbeitrag für netzpolizik.org
Santarius, Tilman. 2018. Smarte Grüne Welt. München: oekom Verlag.

Digitalisierung für KMU

Im ersten Abschnitt ging es um die Potenziale und Risiken der Digitalisierung für den Klimaschutz. Hier wollen wir konkrete Maßnahmen für Unternehmen vorstellen, die Digitalisierung zur eigenen Nachhaltigkeitssteigerung zu nutzen.

Nachhaltige digitale Transformationen für Ihr Unternehmen

Für Unternehmen ist die Digitalisierung schon deslängeren ein Thema. Der Begriff Industrie 4.0 war jahrelang in aller Munde und inzwischen beschränken sich Digitalisierungsstrategien nicht mehr nur noch auf die Automatisierung von Produktionsprozessen riesiger Fabriken. Während die Digitalisierung der Produktion zu Rebound-Effekten (siehe oben) führen kann und am Ende zwar die Produktivität steigert, trägt sie dabei allerdings wenig zur Verbesserung der Klimabilanz eines Unternehmens bei. Wenn schneller mehr produziert wird, dann ist das in der Regel nicht nachhaltig.

Unternehmen, die Digitalisierung zur Steigerung ihrer eigenen Nachhaltigkeit nutzen wollen, sollten also Folgendes bedenken: Digitale Tools können auf der einen Seite zur Ressourcenvermeidung beitragen, Prozesse optimieren oder Zeit einsparen. Sie bergen aber auf der anderen Seite das Risiko, dass wesentlich mehr produziert und der Spareffekt egalisiert oder sogar übertroffen wird, was schließlich zu einem Anstieg des Ressourcenverbrauchs führen kann. Um sich nachhaltig zu digitalisieren, ist es also vor allem für kleine Betriebe sinnvoll auf digitale Monitoring-Tools und Anwendungen zurückzugreifen, die zur Suffizienz beitragen.

Eine Studie der Global Enabling Sustainability Initiative (kurz: GeSI) hat den Einfluss digitaler Technologie auf die Nachhaltigkeitsziele der UN (SDGs) untersucht. Es hat sich gezeigt, dass in erster Linie das Monitoring produzierende Unternehmen dabei unterstützen kann, die eigene Nachhaltigkeit zu verbessern, ohne dabei Wirtschaftseinbußen befürchten zu müssen. Im Fokus steht hier vor allem die Effizienzsteigerung mit daraus resultierender Ressourcenersparnis. BNW-Mitglied InstaGreen beispielsweise, bietet Lösungen zur Steigerung der Energieeffizienz in der Produktion und der Gebäudetechnik.

Für nicht-produzierende Unternehmen gibt es andere sinnvolle Monitoring-Anwendungen. Aus unserem Mitgliederkreis beispielsweise planA.Earth, die Unternehmen dabei unterstützen ihre Co2-Bilanz zu monitoren und schließlich zu reduzieren. Auch planetly hilft Unternehmen mit digitalen Tools dabei ihren Co2-Ausstoß zu berechnen, zu analysieren wo Einsparpotenziale vorhanden sind, diese zu nutzen und die restlichen Co2-Emissionen zu kompensieren. Speziell für die Umstellung auf mehr Digitalität im Unternehmen, hat sich Kaneo auf die Umsetzung nachhaltiger IT-Infrastrukturen spezialisiert und will dabei Digitalisierung und Nachhaltigkeit verbinden.

Wer sein Unternehmen also stärker digital aufstellen will, der sollte dabei darauf achten, nicht nur die eigene Effizienz zu steigern, sondern die Nachhaltigkeit mit zu denken. In den meisten digitalen Bereichen der Arbeitswelt gibt es heute nachhaltige Anbieter, die Digitalisierung und deren Auswirkung auf den ökologischen Fußabdruck mitdenken.

Auch die Digitalstrategie der Bundesregierung legt in Bezug auf Digitalisierung von Unternehmen vor allem Wert darauf, dass diese ihre Nachhaltigkeit steigern und unterstützt dabei unter anderem mit rechtlicher Vereinfachung der Heimarbeit. Neben Absichtserklärungen fehlt es hier bisher allerdings an konkreten Maßnahmen oder Hilfestellungen für Unternehmen. Im Koalitionsvertrag ist allerdings die Sprache von Förderungen der KMU bei einer nachhaltigen Digitalisierungsstrategie. Während die meisten KMU jedoch schon heute sehr gut aufgestellt sind, was die digitale Infrastruktur im Unternehmen und die Organisation des Home Office angeht, fehlt es bei vielen noch an Expertise im derzeitigen neuesten Trend der Digitalisierung – der Künstlichen Intelligenz (KI). Wie diese Technologie auch für Ihr Unternehmen an Relevanz gewinnt, wie Sie KI nachhaltig verwenden können und welche politischen Maßnahmen dabei helfen können, thematisieren wir im nächsten Abschnitt.

Weiteres zum Thema Nachhaltigkeit und Digitalisierung in Unternehmen finden Sie hier:

Gesunde digitale Geschäftsmodelle im Mittelstand – geht das und wenn ja wie? | Interview mit BNW-Geschäftsführerin Dr. Katharina Reuter

Mittelstand-Digital Magazin WISSENSCHAFT TRIFFT PRAXIS Digitalisierung und Nachhaltigkeit

Nachhaltig Digital: Ein Einstieg für Unternehmen
Kompetenzzentrum Kommunikation – Mittelstand 4.0: Wie die Digitalisierung Nachhaltigkeit in KMU unterstützen kann

Künstliche Intelligenz, Nachhaltigkeit und politische Maßnahmen

Oben haben wir das generelle Potenzial der Digitalisierung besprochen und gezeigt, wie Unternehmen sie für ihre Nachhaltigkeitsstrategie nutzen können. Hier soll es um den aktuellsten Trend der Digitalisierung – die Künstliche Intelligenz – gehen und was die Politik tun kann, um eine nachhaltige Einführung dieser Technologie zu fördern.

Künstliche Intelligenz, Nachhaltigkeit und politische Maßnahmen

Das aktuell am meisten diskutierte Thema in Bezug auf die Digitalisierung ist die Entwicklung und der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI). Im Fokus stehen dabei oft Mythen über KI und ihre Einsatzbereiche, aber oft auch die Sorge um den klimaschädlichen Effekt des „Stromfressers KI". Künstliche Intelligenz kann allerdings auch zum Klimaschutz beitragen. Durch die Funktionsweise von KI können riesige Datensätze verarbeitet und analysiert werden, was in vielen Bereichen dazu beitragen kann Ressourcen zu sparen. Dies kostet zwar auch Energie in den Rechenzentren, eine Studie der DENA aus dem Jahr 2019 hat allerdings gezeigt, dass eine sinnvolle Implementierung von Künstlicher Intelligenz bei der Energiewende eher nützlich sein kann. KI kann für Energieunternehmen bei Prognosen von Belastungsspitzen hilfreich sein, sowie bei der allgemeinen Betriebsoptimierung, dem Aufbau von SmartGrids oder strategischen Geschäftsentscheidungen.

Climate Change AI, eine Organisation von ehrenamtlichen Forscher:innen und Unternehmer:innen, die die Potenziale und Gefahren von KI für den Klimawandel analysieren und ihre Ergebnisse regelmäßig veröffentlichen, benennt vor allem die schon angesprochenen Rebound Effekte als größtes Risiko der Künstlichen Intelligenz. Allerdings sind sie der Meinung, dass die Technologie inzwischen so weit angekommen ist, dass es nun um die Implementierung geht und nicht mehr um ein Einhegen ihrer Möglichkeiten.

Der KI-Bundesverband beispielsweise macht auf die zahlreichen Einsatzmöglichkeit der Technologie zur Bekämpfung des Klimawandels aufmerksam. Neben dem positiven Einfluss, den neue Technologien für den Energiesektor durch SmartGrids haben können, macht der Bundesverband weitere Schlüsselsektoren für den Klimaschutz aus, für die KI eine entscheidende Lösung beitragen kann. In all diesen Bereichen kann KI in erster Linie durch ihre Überlegenheit bei der Datenverarbeitungen helfen Ressourcen zu mindern und die Effizienz zu steigern.

Wir führen hier die 4 Schlüsselsektoren auf:

Einsatzmöglichkeiten:

  • Grid-Control (Analyse und Vorhersage von Nachfragespitzen)
  • Prozessoptimierung und Beschleunigung (Schienentransport, Lagerkapazitäten, Verkehrsfluss)
  • Vorausschauende Ressourcenbereitstellung (Dezentrale Versorgungsleitungen)
  • Bedarfsgerechte Infrastrukturplanung (E-Ladenetz)

Probleme:

Da KI vor allem durch ihre Datenverarbeitungsmöglichkeiten glänzt, sind das größte Problem ihrer Implementierung fehlende Daten. Hier braucht es also einen möglichst kostenfreien Zugang zu verbrauchsbezogenen Daten von beispielsweise Flottenbetreibern sowie den Austausch zwischen Unternehmen und Entwicklern von KI-Technologien.

Beispiele:

Positive Beispiele der Dekarbonisierungstechnologien im Verkehrssektor (und speziell in der Cargo-Logistik) bietet Cargonexx durch Bedarfsanalysen von Logistikdaten. So können bedarfsgerechte Touren geplant und Flotten effizient genutzt werden. Aber auch Telematiksysteme wie das von RIO können und sollten mehr eingesetzt werden, um verbrauchsarmes Fahrverhalten zu fördern und zu automatisieren. RIO verbindet verschiedene Logistik-Plattformen miteinander und analysiert Nutzungsdaten so, dass Lieferketten, aber auch Fahrverhalten der einzelnen Fahrer:innen, optimiert werden.

Politische Unterstützung kann durch Vereinfachung der Datenweitergabe zwischen Unternehmen sowie der rechtssicheren Datenerhebung im Straßenverkehr erfolgen. Die Digitalstrategie der Bundesregierung hat in diesem Bereich keine Vorhaben bekanntgegeben.

Einsatzmöglichkeiten:

  • Optimierung von Dünger- und Pflanzenschutzmitteleinsatz
  • Lokalisierte Bewässerung

Probleme:

Obwohl die Einsatzmöglichkeiten von KI-Technologie in der Landwirtschaft sehr aussichtsreich sind, fehlt es an Umsetzung. Dies liegt wiederum an fehlender Datenlage, aber auch an Problemen bei der Integration in den Arbeitsalltag der Landwirt:innen sowie dem enormen Kostenaufwand für den:die einzelnen Landwirt:in. Die heutige Landwirtschaft besitzt weder personelle noch finanzielle Mittel, um KI-Systeme zu trainieren und einzurichten. Hier braucht es in erster Linie finanzielle, aber auch logistische Hilfe bei der Implementierung solcher Systeme.

Beispiele:

Eine kleine Revolution in der Landwirtschaft könnte der Ansatz von infarm bringen. Das Start-Up arbeitet daran, Landwirtschaft ohne landwirtschaftliche Flächen zu ermöglichen. So können beispielsweise Supermärkte ihre Salate, Kräuter und andere Pflanzen selbst anbauen. Dies wird mithilfe von KI überwacht und das jeweils passende Klima und die nötige Nährstoffzugabe gewährleistet. Erste kleine Anlagen finden sich schon heute in zahlreichen Supermärkten. Das Ziel ist diese Gebäudefarmen in großer Zahl zu bauen und so Ressourcen und Landwirtschaftsflächen zu sparen. Hier kommt allerdings wiederum das Problem der Rebound-Effekte zu tragen. Künstliche Farmen könnten den Energiegebrauch so sehr erhöhen, dass sie die Ressourcenersparnis nicht einstellt. Abhilfe könnte dabei eine Umstellung auf 100% Erneuerbare Energien schaffen.

Aber auch an einer Verbesserung der konventionellen Landwirtschaft wird weiter geforscht. In drei Feldstudien untersucht ein Joint Venture von Bosch und BASF derzeit die KI-gesteuerte prädikative Analyse von Pflanzenbefall, um gezielt Pflanzenschutzmittel einsetzen zu können und so deren Verbrauch zu senken.

In eine ähnliche Richtung forscht Dahlia Robotics. Sie wollen Pflanzenschutzmittel allerdings gänzlich obsolet machen und entwickeln dafür einen KI-gesteuerten Roboter, der durch die Felder fahren kann und Unkraut gezielt entfernt. So werden einerseits Kollateralschäden vermieden und andererseits muss dafür kein umweltschädliches Pflanzenschutzmittel versprüht werden.

Auch hier kann die Politik allen voran mit finanzieller Hilfe beistehen. Die Datenerhebung sowie die Anschaffung neuer Technologie ist kostspielig und ohne staatliche Anreize für die Landwirte derzeit noch nicht lohnenswert. In der Digitalstrategie der Bundesregierung ist die Vereinfachung der Datenerhebung für 2025 vorgesehen. Wie sich diese rechtssicher ausgestaltet, wird leider nicht dargelegt.

Einsatzmöglichkeiten:

  • Reduzierung des Energieverbrauchs von Gebäuden

Probleme:

Da in Deutschland ein hoher Datenschutzstandard herrscht, ist die Aufnahme und Analyse von Nutzungsdaten wesentlich komplizierter als in anderen Ländern. Ebenso ist kein:e Hausbesitzer:in dazu verpflichtet die Daten seiner oder ihrer Gebäude weiterzugeben. Dies macht eine Umsetzung nachhaltiger KI-Strategien in Deutschland fast unmöglich. Hinzu kommen die hohen Kosten einer umfangreichen KI-Strategie in Städten, die die hochverschuldeten Kommunen Deutschlands nicht stemmen können.

Beispiele:

Aus unserer Mitgliedschaft bietet vilisto smarte Thermostate an, die den Wärmebedarf von Gebäuden messen, analysieren und schließlich optimieren können. Derzeit kommen diese vor allem in öffentlichen Gebäuden und Büros zum Einsatz, können aber den auch den Betrieb von Privathäusern optimieren.

Ein Musterbeispiel für die Optimierung von Gebäudetechnik ist DeepMind im Datencenter von Alphabet. Hier konnte Googles KI zu einer Einsparung von 40% des Stromverbrauchs bei der Kühlung des Rechenzentrums beitragen und das nur durch die Analyse von Wetterdaten sowie voraussichtlichen Leistungsspitzen in der Google-Dienste-Nutzung.

Wie auch bei anderen Anwendungsfeldern, kann die Politik im Gebäudesektor mit einer Datenerhebungs- und -nutzungsverpflichtung die Grundlage für das KI-Training schaffen. Dies könnte im ersten Schritt für Neubauten und Sanierungsarbeiten erfolgen und in einem weiteren dann für alle kommerziell genutzten Gebäude. Daraus resultierende Analysen würden dann für eine effizientere Energieerzeugung und Infrastrukturplanung genutzt werden. Ebenso könnte eine Ausstattung mit Sensoren und Gebäudemanagement-Systemen zur Pflicht werden, sowie höhere Energieeffizienzstandards, sodass die Nutzung von KI-Systemen sich schneller rechnet. Eine finanzielle Hilfe zur Datenerhebung und -analyse für Privathäuser, aber vor allem Kommunen wäre hier ohnehin von Nöten. In der Digitalstrategie der Bundesregierung ist bisher vor allem von KI-Anwendungen im Bereich des Bauens vorgesehen. Konkrete Pläne für eine CO2-Reduzierung durch KI-Anwendungen in diesem Bereich liegen derzeit noch nicht vor.

Einsatzmöglichkeiten:

  • Verkehrsflussoptimierung
  • Stromnetzoptimierung
  • Optimierung von öffentlichem Verkehrsnetz durch Analyse von Bewegungsdaten

Ähnlich wie bei der Logistik sind die Stärken der KI im Verkehrswesen in der Analyse und Überwachung von Bewegungsdaten zu finden. So können Ampelschaltungen optimiert, aber auch das Angebot von öffentlichen Verkehrsmitteln und die Schaffung von Radwegen und Parkmöglichkeiten effizient gestaltet werden.

Beispiele:

Die Open Mobility Foundation zeigt, wie die sogenannte Mobility Data Specification (MDS) Verkehrs- und Stadtplanern bei der Arbeit helfen kann.
Anwendungsbeispiele liefert der chinesische Konzern Alibaba mit seinem
City Brain – System, das es geschafft hat die Verkehrsgeschwindigkeit der Teststadt Xiaoshan um 15% zu erhöhen.


Probleme:

Auch hier kommt es in Deutschland zu datenschutzrechtlichen Hürden solche Systeme zu implementieren, denn eine privatwirtschaftliche Überwachung des Stadtverkehrs ist mit heutiger Rechtslage weder umsetzbar noch wünschenswert.

Die Politik ist hier gefordert, die Daten im besten Fall entweder selbst zu erheben oder Anbietern Rechtssicherheit und eine datenschutzkonforme Möglichkeit der Datenerhebung an die Hand zu geben. MDS bietet hier einen möglichen Datenstandard, den Deutschland bei einer möglichen Strategie anpeilen sollte. In der Digitalstrategie der Bundesregierung ist eine zentrale Datenverarbeitung im Verkehrswesen bereits vorgesehen und soll bis 2025 umgesetzt werden, konkreter werden die politischen Pläne im Bereich Verkehr dabei aber nicht.

 

Die Quellen für diesen Beitrag, sowie weitere Leseempfehlungen finden Sie hier:

Deutsches Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz. 2022. Mit KI zu mehr Nachhaltigkeit. In: Nachhaltige Industrie. Sonderausgabe 2022. Wiesbaden: Springer Vieweg.

Digitalstrategie der Bundesregierung

Institut für ökologische Wirtschaftsforschung. 2021. Nachhaltigkeitskriterien für Künstliche Intelligenz.  

KI-Bundesverband. 2021. Wie Künstliche Intelligenz Klimaschutz und Nachhaltigkeit fördern kann.

Fazit

Hinter dem Begriff Digitalisierung verbirgt sich mehr als nur „Industrie x.0“, die Umstellung von Fax auf E-Mail oder die Automatisierung der Produktion. Sie kann dazu dienen Ressourcen zu sparen, sei es im individuellen Konsum oder in großen Industrieunternehmen. Gleichzeitig führen digitale Angebote und die Automatisierung von Herstellungsprozessen derzeit nicht dazu, dass der Ressourcenverbrauch zurückgeht. Rebound-Effekte der Effizienzsteigerung bedingen vielmehr, dass wir noch mehr Energie benötigen, um der steigenden Konsumnachfrage nachkommen zu können.

KI-Systeme können als Werkzeuge der Suffizienz allerdings ein echter Game-Changer auf dem Weg zu einer dekarbonisierten Wirtschaft und Welt werden. Dafür benötigt es, wie wir gesehen haben, aber noch viel Verbesserungspotential, gerade in Deutschland. Neben Forschung und Investitionen braucht es Anreize für das produzierende Gewerbe in Deutschland, aber auch für Städte und Kommunen, sich mit neuen technischen Möglichkeiten zu beschäftigen und die Anstrengung in Kauf zu nehmen, diese bei sich zu implementieren. Um die Anwendungsbereiche der Künstlichen Intelligenz so zu nutzen, dass sie für und nicht gegen die digitale nachhaltige Transformation arbeiten, muss der Staat Grundlagen schaffen. Dazu gehört die rechtssichere Verwendung der Technik, niedrige bürokratische Hürden zur Datenverarbeitung, -weitergabe und -speicherung. Um dies datenschutzkonform tun zu können wäre es am sinnvollsten, beispielsweise Verkehrsdaten, nicht in die Hände privater Unternehmen zu geben, sondern sie selbst zu erheben und ggf. zu verarbeiten. Der Koalitionsvertrag der Regierung verspricht hier den Aufbau eines Dateninstituts mit niedrigschwelligem Zugang für Unternehmen und soziale Innovatoren. Dabei soll unter anderem die Einhaltung und Durchsetzung der DSGVO gewährleistet  und ein Rechtsanspruch für Open Data eingeführt werden. In der im August veröffentlichen Digitalstrategie finden sich dazu allerdings keine konkreteren Vorhaben.

Obwohl die Digitalstrategie der Bundesregierung viele Punkte aufgreift, die in den letzten Jahrzehnten verschlafen wurden, bleibt es bisher nur bei Absichtserkundungen. Maßnahmen einer nachhaltigen Digitalisierung der Wirtschaft, Verwaltung und des Alltags sind darin keine zu finden, obwohl im Koalitionsvertrag noch gute Ansätze zu finden waren. Dort wurde beispielsweise die Absicht erklärt neue Rechenzentren zu bauen und deren Abwärme zur Energieerzeugung zu nutzen, oder auch bei der öffentlichen Beschaffung von IT-Infrastruktur auf Nachhaltigkeitskriterien zu achten. Einen Umsetzungsplan konnte die Regierung dafür bisher noch nicht vorweisen. Was ebenfalls fehlt ist die Einsicht, dass die Digitalisierung uns im buchstäblichen Sinne viel Energie kosten wird. Hier greift also abermals die Erkenntnis, dass wir eine Umstellung auf 100% Erneuerbare Energien benötigen, wenn wir die Klimaziele erreichen wollen, ohne dabei nötigen Fortschritt wie die Digitalisierung hinten anzustellen.

Unternehmen, die Digitalisierung für ihre eigene Nachhaltigkeit nutzen möchten, können heute vor allem auf digitale Monitoring-Tools zurückgreifen sowie grüne IT-Systeme und ressourcenschonende Produktionstechniken verwenden. Dazu braucht es politische Hilfestellung, vor allem durch Anreize und finanzielle Unterstützung.

Weiterführende Links

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